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Geschützte Arten__Behörden haben Ermessensspielraum

Gerade Reptilien- und Vogelhalter und -züchter haben immer wieder Schwierigkeiten mit dem Artenschutzrecht. Foto: Marc Pascual/Pixabay

Das Problem ist so alt wie das Artenschutzrecht: Wer Exemplare besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten besitzt, muss die Besitzberechtigung nachweisen – also die rechtmäßige Herkunft der Tiere.

Auch wenn dem Halter kein strafrechtlich relevanter Vorwurf oder auch nur der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit zu machen ist – hier muss das schuldhafte Handeln nachgewiesen werden – gilt im Verwaltungsrecht weiterhin die Beweislastumkehr. Das bedeutet, der Halter muss hier eben diesen Nachweis führen, um seine Tiere oder Pflanzen behalten zu können.
 
Gerade bei Altbeständen ist dies oft problematisch. Die Tiere wurden vor Jahrzehnten angeschafft, irgendwie gemeldet und bei einer erneuten Kontrolle, beispielsweise um EU-Bescheinigungen für die Vermarktung von Nachtzuchten zu beantragen, fallen dann Widersprüche in den bisher vorliegenden Dokumenten auf.

Tiere werden weggenommen

Nur allzu oft ist der Verlauf dann folgender: Die Tiere werden zunächst beschlagnahmt und entweder gleich abgeholt oder dem Halter unter striktem Verfügungsverbot einstweilen überlassen. Der Halter erhält dann eine Frist zur Nachweisführung, zunächst von einem Monat, die auf bis zu sechs Monate verlängert werden kann (§§ 47, 51 Absatz 2 Satz 3 Bundesnaturschutzgesetz). Kann der Nachweis dann immer noch nicht geführt werden, werden die Tiere eingezogen, das heißt enteignet. In der Mehrzahl aller Fälle werden sie dann weggenommen.

Folgende Probleme sind hier besonders zu erwähnen: Die Unterbringungskosten für die Tiere fallen dem ehemaligen Halter zur Last. Die Rechtswidrigkeit des Besitzes erstreckt sich auch auf die Nachkommen, gleichgültig über wie viele Generationen. Das kann im Einzelfall durchaus zu erheblichen Schadensersatzansprüchen durch Käufer führen. Wer als gewerblicher Züchter beispielsweise jahrelang Nachzuchten eines Pärchens verkauft, dessen Herkunft sich dann irgendwann als unklar herausstellen und das eingezogen werden könnte, der muss sich auf erhebliche Forderungen einstellen, wenn wirklich auf alle Nachkommen dieses Pärchens behördlich zugegriffen wird.

Ämter übersehen Spielraum

Oft wird dabei aber seitens der Behörden übersehen, dass sie nicht so vorgehen müssen. Auch die Vorschriften über die Einziehung sind nicht zwingend. Paragraf 47 des Bundesnaturschutzgesetzes gibt der Behörde ausdrücklich einen Ermessensspielraum für ihr Vorgehen („Kann-Regelung“). Das bedeutet: Sobald seitens einer Behörde Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Tierbestandes geäußert werden, sollten Sie sofort Verhandlungen aufnehmen.

Gerade bei langjährigen, zuverlässigen Haltern und einem ansonsten artenschutzrechtlich bedenkenfreien Tierbestand können auf diesem Wege gute Lösungen gefunden werden. So ist es beispielsweise möglich, dass die Behörde die Tiere in Ausübung ihres Ermessens zwar einzieht, sie ihrem Halter aber dauerhaft belässt. Mehr noch: Die Behörde ist keineswegs verpflichtet, in einem solchen Fall ein Zuchtverbot zu verhängen, und hat auch hier einen weitgehenden Ermessensspielraum.

Mitunter ist den Artenschutzbehörden das gar nicht klar. In solchen Fällen ist es hilfreich, der Behörde, wenn sie hier Zweifel hat, an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zu verweisen. Hier besteht zwar keine Weisungsbefugnis, aber das BfN berät auf Wunsch die Fachbehörden.

Es geht auch mit Augenmaß

Ein konkreter Fall aus der anwaltlichen Praxis: Zwei Vögel einer besonders geschützten Art, ein Pärchen, leben seit Jahrzehnten zusammen und züchten gut. Irgendwann fällt auf, dass es Unklarheiten mit den Papieren gibt. Die Naturschutzbehörde beschlagnahmt die Tiere daraufhin, zeigt aber Augenmaß und belässt sie beim Halter, was schon einmal zur Kostenersparnis führt. Gleichzeitig bietet sie bereits „Einziehung und Überlassungsvertrag“ an, aber mit Zuchtverbot.

Die Frage ist hier, wie ein Zuchtverbot umgesetzt werden soll. Durch Trennung der monogam leben den Tiere? Das wäre tierschutzrelevant. Durch die Entfernung aller Legegelegenheiten? Das wäre gleichfalls tierschutzrelevant, denn was wäre, wenn sich Schichteier bilden? Das könnte das Weibchen das Leben kosten. Oder sollte das Zuchtverbot umgesetzt werden, indem die Eier vernichtet werden? Das wäre nach Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten. Schließlich handelt es sich ja bereits um Entwicklungsformen einer besonders geschätzten Art, die nicht zerstört werden dürfen.

Nach Hinweisen auf diese Probleme und der Bitte, sich gegebenenfalls Rat beim BfN einzuholen, wurde erreicht, dass die Elterntiere eingezogen und dem Halter überlassen wurden und dass dem Halter für künftige Nachzuchten eine EU-Bescheinigung ausgestellt wird.

Dietrich Rössel, Rechtsanwalt