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Innovative Produkte__Die Jagd auf Ideen und Investoren

Daniel Hornburg ist Teil der Projektgruppe „Trixie Ventures“, die Workshops für Gründer ausschreibt. Foto: Trixie

Die Heimtierbranche lebt von Innovationen. Doch echte Neuheiten oder gar revolutionäre Entwicklungen sind eher selten. Unternehmen suchen daher aktiv nach Ideen. Umgekehrt benötigen Jung-Unternehmer erfahrene und solvente Partner, die ihren Markteintritt fördern. Wie systematisch können solche Suchen betrieben werden?

Neue Denkansätze, frische Lösungen oder alternative Wege – klingt gut, ist für viele Firmen aber oft gar nicht so einfach umzusetzen. Einerseits ist es enorm wichtig, sich zu öffnen, andererseits soll das etablierte Geschäft nicht darunter leiden. Zunehmend beliebt ist daher das Modell, sich in verwandten oder in anderen Branchen umzuschauen. So hofft man, Ideen zu finden, die auf die Petbranche adaptiert werden können.

Um an solche Firmen oder Projekte zu gelangen, werden unterschiedliche Wege eingeschlagen: Es gibt zum Beispiel Innovationspreise, Ventures-Ausgründungen, Inkubatoren-Projekte, Firmenbeteiligungen, Networking-Treffen, Förderprogramme oder – gar nicht so unbeliebt – Fernseh-Formate wie „Die Höhle der Löwen“. Auch Messen mit eigenen Start-up-Bereichen, wie zum Beispiel die Interzoo, können eine wahre Fundgrube sein.

70-köpfiges Team beobachtet den Markt

Das Franchise-Unternehmen Fressnapf zeigt Interesse „an allen Geschäftsideen, die Bedürfnisse von Heimtierhaltern in Europa bedienen und Geschäftsmodelle aufzeigen, die entweder direkt oder indirekt auf die Profitabilität des Unternehmens einzahlen“, so der Pressesprecher. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen ein eigenes, rund 70 Köpfe starkes Team zusammengestellt, das den Markt beobachtet und spannende Firmen identifiziert.

Außerdem hat das Handelsunternehmen 2022 den „Innovation Award“ gestartet, auf den sich Unternehmen proaktiv bewerben können. Dienstleistungen, aber auch digitale oder nachhaltige Themen finden dort besondere Beachtung. Im vergangenen Jahr konnte das Krefelder Handelsunternehmen bereits neue Geschäftsmodelle an den Start bringen, wie zum Beispiel den Online-Tierarzt „Dr. Fressnapf“, eine Tierkrankenversicherung zusammen mit dem Partner Petolo, einen Wurmtest, die Überraschungsbox-Abonnements von „Wau- & Miaubox“ sowie einen eigenen GPS-Tracker.

Ähnlich unterwegs ist der Futtermittelhersteller Purina, der ebenfalls überlegt, welche Dienstleistungen er den Kunden zusätzlich zu Tiernahrung anbieten kann. Ziel sei es, Produkte, Services und digitalen Content zu verknüpfen. Deshalb arbeitet der Produzent eng mit Start-ups zusammen, an denen er zum Teil beteiligt ist.

Purina hat 2020 mit „Unleashed“ einen Start- Up-Beschleuniger gegründet, der sich auf innovative Geschäftsideen in der Heimtierbranche konzentriert. Das jeweils sechs Monate dauernde Programm richtet sich an junge Unternehmen mit relevanten, skalierbaren und nachhaltigen Geschäftsideen. Besonderes Augenmerk liegt auf Nachhaltigkeit und neuen technologische Lösungen. „Insgesamt hat Purina seit 2020 18 Start-ups gefördert. Die Bandbreite der bisher geförderten Start-ups reicht von zellbasiertem Fisch bis hin zu digitalen Services, die Tierhalter mit lokalen Haustiersittern zusammenbringen“, sagt Lea Drusio, Corporate Communications Director Central Region Nestlé Purina Petcare. Mitte März fand in Linz die diesjährige „Unleashed“- Veranstaltung statt, bei der erstmals Gründer und Investoren aus der Region Deutschland, Österreich und Schweiz zusammengebracht wurden.

Digitales Know-how eingekauft

Die Bielefelder Firma Hunter sieht in der Digitalisierung ebenfalls das größte Potenzial für die Branche. Aus diesem Grund hat sich der Zubehör-Hersteller 2019 mit der Übernahme von „Collar Care“ digitales Know-how eingekauft. „Das sind sehr motivierte junge Mitarbeiter, die natürlich selbst genau wissen, wie es sich anfühlt, zu gründen und welche Probleme man dabei zu bewältigen hat. Dies gibt uns die Möglichkeit, auch nochmal mit anderen Augen auf potenzielle Geschäftsideen zu schauen und somit ein riesiges Potenzial, Ideen neu zu denken“, sagt Hunter-Geschäftsführerin Nadine Trautwein.

Das Unternehmen ist in der regionalen Gründerszene gut vernetzt. „Oft treten Jungunternehmer an uns heran, weil sie sich durch uns und unsere Expertise Unterstützung wünschen“, so Trautwein weiter. Am wichtigsten sei es, dass man das Potenzial des Geschäftsmodells erkennt und selbst daran glaubt. Erfahrungsgemäß, so Trautwein, lägen die Chancen aber vor allem in den Gründern selbst, den Personen, die für ihre Idee brennen und mit ganz viel Herzblut an deren Verwirklichung arbeiten.

„Diese Leidenschaft für die Sache kenne ich nur zu gut und sie ist in jedem Fall unterstützenswert. Bei der Übernahme von Collar Care haben mir vor allem die Menschen dahinter und deren Vision imponiert. Dieses motivierte, mutige Team und der herrschende Spirit in Verbindung mit unserem erfahrenen Team bringen einen – für mich – unermesslichen Mehrwert“, sagt die Hunter-Chefin.

Persönlichkeit und Begeisterung sind gefragt

Auch für die in Norddeutschland beheimatete Firma Trixie spielen die Gründer eine entscheidende Rolle. Das 2022 gestartetes Programm „Trixie Ventures“ wählt Firmen auf ähnlicher Grundlage aus. „Nicht nur das Geschäftsmodell ist uns wichtig, auch die Personen, die dahinterstecken. Die Gründer sollten zu unseren Werten passen und eine gewisse Begeisterung für ihre Idee mitbringen“, sagt Daniel Hornburg, Mitglied der Projektgruppe, die aktuell fünf Mitarbeiter aus den Bereichen Vertrieb, Marketing und Produktmanagement umfasst.

Mit dessen Einführung hat das Unternehmen zeitgleich den ersten Wettbewerb gestartet und Firmen und Erfinder aufgerufen, sich zu bewerben. Daraufhin seien zahlreiche innovative und coole Bewerbungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen eingegangen. Eine Auswahl wurde in einem Pitch näher angeschaut und fünf Teilnehmer für einen Workshop an den Firmensitz nach Tarp eingeladen. „Wir haben aber nicht damit gerechnet, dass wir so viele Bewerbungen mit tollen Ideen erhalten und durften Gründer und Persönlichkeiten kennenlernen, die für ihre Innovationen brennen“, sagt Hornburg.

Wie viel Geld die Firmen jeweils in ihre neuen Projekte und Beteiligungen stecken, darüber halten sie sich bedeckt. Dass solche Aktivitäten Geld kosten, ist unbestritten, feste Budgets dafür scheint es nicht zu geben. Purina hat im Rahmen ihres „Unleashed“-Programms für die Gewinner zwar eine Fördersumme von bis zu 50.000 Schweizer Franken ausgelobt. Weitaus wichtiger als Finanzmittel zu stellen, sei es aber, Geschäftsideen unter realen Bedingungen zu testen, neue Wachstumsfelder zu erschließen und Kontakte zu Industriepartnern zu knüpfen, hebt das Euskirchener Unternehmen hervor.

Auch die Hunter-Geschäftsleitung glaubt nicht, dass ein bestimmtes Budget der richtige Ansatz ist. „Der größte Erfolg entsteht meiner Meinung nach, wenn junge Start-Ups auf erfahrene Unternehmen mit effizienten Strukturen, einem guten Netzwerk und einer soliden finanziellen Basis treffen“, sagt Nadine Trautwein.

Die andere Seite

Und wie sehen die gefragten Jungunternehmer ihre Chancen? Woher stammt deren Motivation, in einem so hochentwickelten Markt mit einer neuen Geschäftsidee zu starten? Finden sie die vorliegenden Förderungs-Angebote attraktiv? Auffallend ist, dass die befragten Neugründungen – Vegdog, Catlabs und Goleygo – allesamt ihre erste öffentliche Aufmerksamkeit durch das TV-Format „Die Höhle der Löwen“ erhielten.

„Unser erster großer Wachstumsschritt war unser Auftritt bei ‚Die Höhle der Löwen‘ und der Einstieg unserer Seed-Investorin Dagmar Wöhrl. Dadurch haben wir erstmalig die breite Masse erreicht“, sagt Tessa Zaune-Figlar, Gründerin von Vegdog. Ähnlich äußert sich auch Catlabs-Geschäftsführerin Katharina Bickel: „2021 bin ich in ‚Die Höhle der Löwen‘ aufgetreten, was eine aufregende Erfahrung war. Von fünf Investoren haben vier ein Angebot gemacht. Meine Investoren sind seitdem Ralf Dümmel und Dr. Georg Kofler.“

Auch die Firma Goleygo, die eine praktische Hundeleine entwickelt hat, ist von dem Gründer-Wettbewerb überzeugt: „Ende 2018 konnten wir uns in ‚Die Höhle der Löwen‘ erfolgreich präsentieren und den Investor Ralf Dümmel überzeugen. Er beteiligte sich mit 250.000 Euro an unserem Unternehmen“, sagt Jérôme Glozbach de Cabarrus, einer der beiden Geschäftsführer. Von seinem Partner Tim Ley stammt die ursprüngliche Geschäftsidee für die Leine.

Ley hat bei seinen Spaziergängen mit Hund viel telefoniert. Wenn er zwischendurch seinen Vierbeiner an- oder ableinen wollte, war dies einhändig nicht zu bewerkstelligen. Er fand auch keine entsprechende Leine, weshalb ihm die Entwicklung einer solchen vielversprechend erschien. Darauf angesprochen bestätigte ihn sein Freund Jerome, damals im Private Equity-Bereich tätig, nicht nur, sondern beteiligte sich gleich mit 125.000 Euro. Gemeinsam entwickelten sie ihr Business weiter.

Investoren vermitteln Kontakte

Über die Kontakte, die sie nach ihrem „Höhle“-Erfolg von Dümmel erhielten, ging es zügig weiter. Der Investor lieferte nicht nur den Zugang zum Einzelhandel, sondern vermittelte auch Produktionsstätten. „Auch wenn die Firmen aus Asien nicht die von uns erwünschte Qualität liefern konnten, so war dies für den Start ganz wichtig. Inzwischen haben wir über eine Kooperation mit einem Werkzeugbauer eine eigene Produktion aufgebaut“, sagt Jérôme Glozbach de Cabarrus. Trotz der Investor-Beteiligung halten sie noch immer die Mehrheit am Unternehmen und können frei gestalten.

Katharina Bickel, die zunächst mit eigenen Ersparnissen und finanzieller Unterstützung ihrer Mutter gestartet ist, hat ihre Geschäftsidee ebenso aus privaten Erfahrungen entwickelt. Für ihre aus dem Tierheim adoptierte Katze fand sie nämlich kein adäquates Spielzeug. Viele Zubehör-Artikel entsprachen nicht ihren Ansprüchen an Design, Qualität und Natürlichkeit. Daher fing Bickel an, diese selbst herzustellen: Spielzeuge aus fairer Handarbeit und reiner Schafwolle bildetet die Basis des 2019 gegründeten „Catlabs“.

„Mir war es wichtig, schnell Kundenfeedback zu meinen Produkten zu bekommen. Daher habe ich mich zunächst über einen eigenen Onlineshop an die Endkunden gewendet. Mit einem reiferen Produkt und mehr Know-how habe ich mich dann an den Handel gewandt. Leider war es zu Beginn nicht leicht, Handelspartner zu überzeugen, meinen Produkten eine Chance zu geben. Die Einstiegs-Hürden waren für ein eigenfinanziertes, junges und kleines Unternehmen unheimlich hoch, wie zum Beispiel die Erwartung von Displays, Forderung eines größeren Sortiments, Streckenbelieferung, Erwartung der Betreuung durch Handelsagenturen oder Außendienst oder Werbekostenzuschuss für Aktionen. Ich konnte dennoch einige überzeugen“, schildert sie ihre ersten Erfahrungen.

Der Durchbruch gelang ihr mit besagtem Fernsehauftritt. Bickels Lebenspartner, ein Unternehmensberater, hat sie dafür fit gemacht. „Ich würde immer wieder bei der Show teilnehmen und mich auch immer wieder für diese Investoren entscheiden. Sie haben mich mit der Erfahrung aus über 100 Investments sehr gut beraten und unterstützt. Die Präsenz im stationären Handel war nach der Ausstrahlung aufgrund der Vertriebsteams meiner Investoren sehr gut.“

Dennoch sei die Teilnahme an der Sendung kein Garant für Erfolg und kreiere auch keine Selbstläufer. „Ich habe viel Arbeit reingesteckt, die punktuelle Sichtbarkeit in nachhaltige Markenbekanntheit zu verwandeln. Rund eineinhalb Jahre nach der Ausstrahlung kann ich sagen, dass dies gelungen ist“, sagt sie nicht ohne Stolz.

Heimtierbranche fragte an

Geschafft hat es auch Vegdog, das als Garagen-Start-up begonnen hat. Geschäftsführerin und Gründerin Tessa Zaune-Figlar musste ihren Schäferhund-Mischling, der an einer Futtermittelallergie litt, auf Anraten des Tierarztes vegan ernähren. Mit selbstgekochtem Futter wurde der Hund innerhalb kurzer Zeit beschwerdefrei. Da es kein veganes Hundefutter auf dem Markt gab, entwickelte sie selbst eines, um diese Lücke zu schließen.

Den Zugang zur Heimtierbranche habe Vegdog gar nicht aktiv gesucht, man wollte sich lediglich auf diesen Nischenmarkt konzentrieren. Doch in der Heimtierbranche blieb dies nicht unbemerkt, und so wurden die beiden angefragt. Tessa Zaune-Figlar erinnert sich: „Ich weiß noch gut, wie ich selber die Pakete in meiner Garage gepackt habe. Heute beschäftigen wir ein Team von mehr als 20 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.“

Ohne Unterstützung hätte sich der Erfolg vermutlich nicht so schnell eingestellt. Inzwischen hat Vegdog mehr als nur einen Investor. Doch die Suche nach dem richtigen sei nicht so leicht gewesen. Valerie Henssen, Mitbegründerin von Vegdog, musste feststellen: „Zu Beginn fühlt es sich jedes Mal an wie ein Sprung ins Haifischbecken. Es braucht eine gewisse Zeit, bis man die guten von den bösen, eher opportunistisch und kurzfristig denkenden Investoren, die die Seele des Unternehmens gefährden könnten, unterscheiden kann.“

Henssen empfiehlt daher, vorab im Gründernetzwerk nach Erfahrungen zu fragen oder bei ähnlichen Geschäftsmodellen zu schauen, wer hier mit eingestiegen ist. „Wir haben jedenfalls all unsere Investoren durch Empfehlungen kennengelernt und nicht durch eine eigenständige Suche und direkte Ansprache“, sagt sie.

In einer zweiten Finanzierungsrunde konnte Vegdog Katjes Greenfood als Investor an Bord holen und erst kürzlich wurden über weitere Investoren, wie der Berliner Impact Investor Green Generation Fund, das Startup Family Office und ein weiteres Family-Office aus München, zusätzliche 3,5 Millionen Euro eingesammelt. Das Geld soll helfen, die „europäische Markenführerschaft“ zu erreichen. Zuletzt schloss Vegdog außerdem noch eine Crowd-investing-Kampagne über die Plattform „Seedmatch“ ab, die weitere knapp 400.000 Euro in die Kasse spülte.

Gemischte Gefühle

Die Zukunft für Investitionen sehen die beiden Gründerinnen allerdings mit gemischten Gefühlen: Die Corona-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine haben Investitionsrunden sehr erschwert, weil Investoren zurückhaltender geworden sind. Auch haben die beiden es bisweilen so empfunden, dass sie als weibliche Doppelspitze in Finanzierungsgesprächen Nachteile hatten. „Womöglich ist es ungewohnt, wie wir als Frauen die Perspektiven des Unternehmens darstellen: realistisch, angemessen und nicht überambitioniert. Das steht im Gegensatz zu manchmal übertriebenen Plänen, die vor allem darauf ausgelegt sind, die Bewertung des Unternehmens in die Höhe zu treiben“, mutmaßt Henssen.

Vegdog, Catlabs und Goleygo haben die schwierigen und risikoreichen Anfangsjahre überstanden. Vegdog hat heute ein Sortiment aus Trocken- und Nassfutter, Nahrungsergänzungsmitteln und Snacks und im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von fast 60 Prozent erzielt. Catlabs hat sein Sortiment ebenfalls erweitern können, Mitarbeiter eingestellt und sich 2022 auf der Interzoo präsentiert. Ein neuer Vitamin-Shake für Katzen hat beim Fressnapf „Innovation Award“ den zweiten Platz belegte. Auch Goleygo schaut zuversichtlich in die Zukunft und hat die dritte Generation der eigenen Hundeleine angekündigt.

Gründern oder Menschen, die mit einer Geschäftsidee schwanger gehen, raten die drei: „Loslegen, soviel kann gar nicht schief gehen“ (Vegdog), „die Produktidee am Markt testen, denn häufig verhalten sich Kunden doch anders als erwartet“ (Catlabs) und vor allem „Durchhaltevermögen zeigen, denn es gibt immer mal wieder Durststrecken“ (Goleygo).

Die Investoren-Seite hält die Heimtierbranche weiterhin für ein attraktives Geschäftsumfeld für junge Firmen. Steigende Kundenansprüche bergen Potenzial für neue Ideen. Fressnapf sieht zum Beispiel im US-Markt einige Trends, die hierzulande noch nicht bedient werden. „Das wird sich sicher ändern und bietet Raum für Firmengründungen“, ist der Fressnapf-Pressesprecher überzeugt.

Sabine Gierok