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Terraristik__Stabile Verhältnisse
Der Terraristik-Markt in Deutschland mag vielleicht nicht an die Umsätze von Hund und Katze herankommen. Dennoch ist er weit mehr als nur ein Nischenthema für die Branche. Ein Blick ins Ausland zeigt auch: Das Segment bietet viel Raum für Innovationen.
Der europäische Terraristik-Markt ist weltweit einer der größten und hier nimmt Deutschland neben Frankreich, Spanien und Großbritannien einen Spitzenplatz ein. Es gibt eine große Nachfrage nach Tieren und Zubehör. Weil die Europäische Union strenge Tierschutzrichtlinien für den Handel sogenannter exotischer Tiere aufgestellt hat, hat sich in Deutschland und Anrainern eine vitale Zuchtszene etabliert, die den Markt mit Tieren versorgt.
Rund 1,2 Millionen Terrarien gab es 2023 in Deutschland. Laut einer vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe und Industrieverband Heimtierbedarf in Auftrag gegebenen Studie waren es damit zwar etwa 100.000 Terrarien weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt bleibt aber die Zahl dieser Biotope in deutschen Haushalten relativ stabil und bewegt sich seit 2019 stets zwischen 1,2 und 1,4 Millionen.
Treue Anhängerschaft
Die Terraristik hat also offensichtlich eine treue Anhängerschaft und die Liebe der Halter geht sogar so weit, dass viele von ihnen nicht bei einem einzigen Terrarium bleiben. Hier hat es in den vergangenen beiden Jahren aber eine signifikante Verschiebung gegeben: Hatten 2022 noch 27 Prozent der Terrarienbesitzer zwei Terrarien, waren es 2023 nur noch 19 Prozent. Einige haben sich wohl mindestens ein weiteres Terrarium zugelegt, aber der Anteil derer, die nur ein einziges betreiben, hat sich von 63 Prozent im Jahr 2022 auf 67 Prozent in 2023 erhöht.
Die Artenvielfalt in der Terraristik ist enorm und viele Halter leisten einen wertvollen Beitrag zum Ex-Situ-Artenschutz. Bei den beliebtesten Arten liegen Schildköten, Schlangen und Geckos vorn. Auch Agamen, Eidechsen, Spinnen, Insekten, Chamäleons, Amphibien und Leguane leben häufig in menschlicher Obhut.
Wissen aus dem Zoofachhandel
Um die Tiere bestmöglich zu versorgen, informieren sich die Halter vorwiegend im Internet und einschlägigen Foren, mit Büchern und Fachzeitschriften sowie im Zoofachhandel. Immerhin 37 Prozent gaben in der Studie an, beim Fachhändler des Vertrauens das notwendige Wissen einzuholen – ebenfalls ein stabiler Wert, der im Jahr zuvor nur um einen Prozentpunkt höher lag.
Das Vertrauen in den Zoofachhandel spiegelt sich dann auch im Kaufverhalten wider: 40 Prozent der Befragten gaben an, ihr Terrarium im Zoofachhandel oder bei spezialisierten Händlern erworben zu haben. Das mag als weiterer Beleg dafür gelten, dass die Sach- und Fachkunde des Handels nach wie vor die Grundlage der Wertschöpfung der Heimtierbranche darstellt.
Treue Kunden
Es sind also viele treue Kunden unter den Terrarienbesitzern und das Segment ist aufgrund seiner Spezifik wohl auch nicht so anfällig für solche Phänomene wie den sogenannten Beratungsklau, wo das Wissen beim stationären Händler abgegriffen wird und der Kauf dann über andere, möglichst preisgünstige Kanäle erfolgt. Hier mag auch die Tatsache helfen, dass unter vielen Haushalten mit einem Terrarium das Geld nicht ganz so knapp ist; immerhin 33 Prozent der Terrarien-Haushalte verfügen über ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro.
Bei der Ernährung setzen 60 Prozent der Halter auf Lebendfutter, aber auch die anderen Segmente wie Fertigfutter mit 35 Prozent, Frostfutter mit 29 Prozent oder Snacks mit 22 Prozent machen einen guten Schnitt. 23 Prozent der Halter gaben an, den Tieren selbst zusammengestelltes Futter zu geben.
Die Terraristik wird auch in mittelfristiger Zukunft ein wichtiger Teil des hiesigen Heimtiermarktes bleiben, denn das Interesse am Tier ist ungebrochen. Diese Aussicht auf Stabilität schlägt sich auch in der Ausrichtung der Unternehmen nieder. So hat Kölle Zoo in den vergangenen Monaten das Terraristik-Sortiment wieder ausgeweitet und in einigen Geschäften sind sogar mit verschiedenen Spinnenarten, Vampirkrabben und wandelnden Blättern lebende Tiere eingezogen.
Neben Europa ist Nordamerika ein weiterer großer Terraristik-Markt. Gerade der Blick in die USA lohnt um zu verstehen, wohin sich auch der deutsche Markt in Zukunft entwickeln könnte. Laut der Statistik- Internetseite Worldmetrics.org gibt es in 4,7 Millionen US-Haushalten Reptilien und sie werden immer beliebter. Ein Grund hierfür ist, dass gerade die jüngere Generation wegen Ausbildung und Arbeit in die urbanen Räume zieht. Wer in einer kleinen Wohnung lebt und ein Tier halten möchte, für den bietet sich ein Terrarium an.
Genau wie in Deutschland sehen auch in Nordamerika die Tierhalter die Tiere als Familienmitglieder, das gilt auch für Terrarientiere. Eine solche starke emotionale Bindung leistet dem Trend nach Premium-Produkten Vorschub. Da ist für Bartagame, Schlange oder Gecko oft das Beste gerade gut genug, beispielsweise in Form von Bio-Futter.
Automatisierte Systeme
An Popularität gewinnen dort auch automatisierte Terrariensysteme, insbesondere smarte Beleuchtung und Heizlösungen. Solche Technik ermöglicht es, Temperatur und Lichtzyklen präzise zu steuern und an die natürlichen Bedürfnisse der Tiere anzupassen, etwa über ein Nebelsystem, das die Feuchtigkeit im Terrarium konstant hält. Für eine stabilere Umgebung sollen beispielsweise hitzebeständiges Glas oder duale Lüftungssysteme sorgen.
Ziel der Terrarien-Besitzer ist stets, die natürlichen Lebensbedingungen so genau wie möglich nachzubilden. Weil in den USA und Kanada der Do-it-yourself-Trend wächst, nutzt so mancher Reptilienhalter DIY-Kits, um die Umgebung im Biotop individuell anzupassen. Personalisierte Terrarien sind dort sehr beliebt und Online-Tutorials bieten Anleitungen für maßgeschneiderte Behausungen.
Ähnliche Trends finden sich in Südostasien. Auch dort erstarkt die Nachfrage nach technologischen Innovationen, die sowohl den Pflegeaufwand reduzieren als auch die Lebensqualität der Tiere verbessern sollen. Der Fokus liegt auf intelligenten Technologien, die ein stabiles Mikroklima schaffen, nur minimalen menschlichen Eingriff erfordern und zugleich energieeffizient und umweltfreundlich daherkommen.
In den stark urbanisierten Regionen Südostasiens sind kompakte Terrarien mit integriertem Beleuchtungs- und Heizsystem gefragt. Solche speziell für kleinere Wohnräume konzipierten Terrarien sollen ästhetische Elemente mit funktionaler Technologie kombinieren. Sicher sind nicht alle Entwicklungen aus Nordamerika und Südostasien auf hiesige Verhältnisse übertragbar. Dennoch zeigen sie eines deutlich: Die Terraristik lebt und entwickelt sich.
Dominic Heitz