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Kaufrecht__Bei Tieren eine unendliche Geschichte

(RA Rössel) – Wieder einmal musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befassen, wann ein Tier „neu“ und wann es „gebraucht“ im Sinne der § 474 ff. BGB ist. Das Urteil fiel am 9. Oktober 2019.

Das spielt beim „Verbrauchsgüterkauf“ (Verkauf vom Händler an privat) immer dann eine Rolle, wenn zur Diskussion steht, ob der gewerbliche Verkäufer die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzen darf (das ist nur bei gebrauchten Kauf-„Sachen“ möglich, § 476 Absatz 2 BGB). Darüber hinaus darf der gewerbliche Verkäufer dann die Gewährleistungsfrist noch weiter verkürzen, wenn eine gebrauchte Sache in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft wurde (§ 474 Absatz 2 BGB). In einem solchen Fall ist also auch eine Verjährungsfrist zulässig, die kürzer ist als ein Jahr (im konkreten Fall war die Frist auf drei Monate verkürzt worden).

Das bedeutet: Ist ein versteigertes Tier als „neu“ anzusehen, darf der Verkäufer die Gewährleistungsfrist nicht verkürzen. Versteigert er hingegen ein „gebrauchtes“ Tier, darf er hingegen die Gewährleistungsfrist auf weniger als ein Jahr verkürzen – auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, so lange diese den §§ 305 ff. BGB entsprechen.

Der BGH stellte nun klar, dass hierbei sowohl die Komponente der „Nutzung“ eine Rolle spielt als auch eine Komponente des lebensaltersbedingt steigenden Sachmangelrisikos. Das heißt konkret: Die erste Nahrungsaufnahme macht ein Tier noch nicht zum „gebrauchten Tier“. So lange Tiere „nicht mit den Risiken behaftet sind, die typischerweise durch Gebrauch entstehen“, sind sie noch als neu einzustufen. Teilweise wird auch darauf abgestellt, ob ein Tier bereits „seinem Bestimmungszweck zugeführt“ wurde. So lange das Tier noch jung ist, soll es also nicht durch bloßen Zeitablauf zum gebrauchten Tier werden. Wenn aber zum Zeitpunkt des Verkaufes – sei es aus Gründen des Lebensalters oder aufgrund anderer Kriterien, wie beispielsweise Nutzung – ein beträchtlich erhöhtes Sachmängelrisiko vorliege, dann sei das Tier als „gebraucht“ einzustufen. Auch ohne dass ein Tier seiner Gebrauchsbestimmung zugeführt wurde, kann es also schon aufgrund seines Lebensalters als gebraucht angesehen werden, da es einer Abnutzungsgefahr unterliegt.

Der BGH stellt allerdings auch klar, dass sich allgemein gültige zeitliche Grenzen nicht aufstellen lassen. Ein Tier, das schon längere Zeit eine eigenständige Entwicklung vollzogen habe und das seit längerer Zeit geschlechtsreif sei, sei aber aufgrund der eingetretenen biologischen Veränderungen und des damit einhergehenden erhöhten Sachmängelrisikos unabhängig von der Nutzung eher als gebraucht einzustufen. Ein zum Verkaufszeitpunkt zweieinhalb Jahre altes Pferd – um dieses ging es hier – könne nicht mehr als „neu“ eingestuft werden.

Im konkreten Fall durfte der gewerbliche Verkäufer daher die Verjährungsfrist verkürzen – da der Kauf in öffentlicher Versteigerung stattgefunden hatte, sogar auf weniger als ein Jahr. Die vermeintlichen Ansprüche der Käuferin waren damit verjährt.

Bundesgerichtshof, Az.: VIII ZR 240/18