Artikelarchiv

Schon gewusst?__Keime im Schleim wirken antibakteriell

Importfische wie Epiplatys annulatus neigen häufig zu Infekten bei der Umstellung. Foto: Lou Herfurth

Die Abgabe frei verkäuflicher Antibiotika im Zoohandel fand 2016 ein mehr oder minder abruptes Ende und stellte insbesondere die Kollegen in der Aquaristik vor neue Herausforderungen. Kein Wunder also, dass hier noch die letzten Reste gehamstert wurden. Doch vielleicht stehen bald Alternativen zur Verfügung – dank Fischforschung.

Die Entscheidung weniger Antibiotikum einzusetzen, war richtig und wichtig; im Hinblick auf die Aquaristik mit ihren eher marginalen Möglichkeiten zur Tiergesundheit aber sicher auch fragwürdig. Allerdings wären das Medikamente in den Händen eines sachunkundigen Endkunden wohl genauso.

Doch die Antibiotika-Thematik sorgte nicht nur im Zoofachhandel für Wirbel. Seit Jahren wird auch in der Masttierhaltung und erst recht in der Humanmedizin fleißig das Zurückrudern geprobt. Dennoch monierte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, dass vor allem in der Nutztierhaltung nach wie vor zu sehr auf Reserveantibiotika zurückgegriffen werde. Allgemein wurde der Medikamenteneinsatz von 2014 bis 2017 um ein Drittel reduziert.

Eigentlich nur für den Notfall

Davon galt der Rückgang von über 40 Prozent der Schweinemast- und -aufzucht. Geflügel und Vieh wurde nahezu unverändert oft behandelt. Mit erschreckenden 40 Prozent wurde Geflügel mit Reserveantibiotika versorgt, die in der Humanmedizin eigentlich als letzter Notgroschen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen Verwendung finden sollen. Lediglich der Bauernverband verwies auf eine 57 Prozent geringere Abgabe antibiotischer Mittel im vorgenannten Zeitraum zwischen Pharmaunternehmen und Tierärzten.

Laut Studienergebnissen von Germanfoodwatch fanden sich im Juni 2019 über 56 Prozent antibiotischer Resistenzen in verkauften Geflügelprodukten aus namhaften Supermärkten. Dabei stellten die Tester das alarmierende Ausmaß der Kontamination von Reserveantibiotikaresistenzen in jeder dritten Probe fest. Für den Menschen gelten diese Nahrungsmittel durchaus als Ursprung resistenter Keime.

Fischschleimhaut unter der Lupe

Umso bedeutender ist daher eine, wenngleich auf den ersten Blick kurios anmutende Lösung aus der Wissenschaft, welche die Fischschleimhaut näher unter die Lupe nahm. Dr. Sandra Loesgen und ihr Team der Oregon State University präsentierten erste Erkenntnisse im Rahmen der Frühjahrstagung 2019 der Amercian Chemical Society. Diese wiesen auf eine Vielzahl von Mikroorganismen mit antibakterieller Aktivität in der Schuppenschleimschicht der Tiere hin, die wiederum den Fisch vor Bakterien, Pilzen und Viren bewahrt.

Mehr als 47 unterschiedliche Bakterienstämme konnten aus den Schleimhäuten junger Tiefseefische extrahiert werden. Da die Jungfische ein noch nicht völlig ausgebildetes Immunsystem besaßen, dafür aber mehr Schleim auf den Außenschuppen, erwiesen sie sich als probatere Forschungsobjekte als ihre älteren Kameraden. Vor allem fünf Bakterienstämme weckten den Forschergeist, denn diese wiesen eine erhöhte Wirksamkeit gegen Methicillin-resitente Staphylococcus aureus auf, auch bekannt als MRSA. Drei weitere waren in der Lage den Pilz Candida albicans zu hemmen, einer davon entpuppte sich sogar als Wachstumshemmer bei Dickdarmkrebs.

Es wird noch einiges an Forscherdurst notwendig sein, um diesen unkonventionellen Lösungsansatz in praxistaugliche Antibiotika-Alternativen zu verwandeln. Ob die bisherigen Ergebnisse dazu beitragen, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben, wird sich wohl erst noch beweisen müssen, von der Rechtskonformität, Bakterienstämme in Arzneimittel umzumünzen, ganz zu schweigen.

Lou Herfurth