Bewertungen im Netz__Krieg der Sterne

Fast jeder liest sie. Und ein großer Teil von ihnen ist vermutlich gefälscht: Rezensionen im Internet gibt es millionenfach, über Produkte, Dienste und Unternehmen. Die Kritisierten sind diesem Phänomen aber keinesfalls schutzlos ausgeliefert. Der Rechtsanwalt Dr. Oliver Stegmann klärt über die Möglichkeiten auf, sich gegen ungerechtfertigte und unsachliche Kritik im Internet zur Wehr zu setzen.

Eine eigene Meinung hat jeder und das Internet ist der bevorzugte Ort, wo man diese Meinung schnell absetzen kann. Mal ist jemand vielleicht frustriert, weil ein gekauftes Produkt nicht den Erwartungen entspricht. Ein anderes Mal fühlt sich jemand schlecht behandelt, wenn irgendetwas nicht wie erhofft läuft. So mancher greift dann in seiner Wut zur Tastatur und verdammt ein Unternehmen in Bausch und Bogen. Für das Unternehmen kann das schwerwiegende wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.

Denn es seien zwar nur rund zehn Prozent der Internet-Nutzer, die Rezensionen verfassen, sagt Dr. Oliver Stegmann. Aber rund 90 Prozent der Nutzer würden solche Rezensionen lesen und ihnen Bedeutung zumessen. Dabei haben die vermeintlichen Erfahrungen nicht immer etwas mit der Realität zu tun, sondern sind nicht selten Ergebnis einer konzertierten Aktion.

Kritik als Agentur-Leistung

Agenturen bieten an, positive Bewertungen auf den gängigen Plattformen erstellen zu lassen. Diese Agenturen bezahlen Menschen dafür, einem Produkt möglichst viele Sterne anzuhängen, mindestens vier, am besten gleich fünf. Natürlich sagt die Gesamtbewertung eines Produktes auf einer Plattform dann nicht mehr viel über die tatsächliche Qualität aus.

Es geht auch andersrum: Warum nicht einfach einem unliebsamen Konkurrenten schaden, indem man schlechte Bewertungen für ihn kauft? Auch das ist möglich und kann katastrophale Konsequenzen für das betroffene Unternehmen haben. Das Wirtschaftsmagazin Brand Eins hatte 2021 in einem Beitrag darauf hingewiesen, dass laut verschiedener Untersuchungen 20 bis 42 Prozent der Bewertungen im Netz gefälscht seien. Eine echte Bewertung liege häufig im Mittelfeld, ein Stern deute auf einen Konkurrenten hin, der Schaden anrichten möchte, fünf Sterne auf Eigenlob, so das Magazin.

Es ist eine ganze Branche rund um Rezensionen im Netz entstanden, Agenturen verkaufen Sterne im Paket. Mit der Künstlichen Intelligenz komme jetzt eine ganz neue Entwicklung hinzu, so Stegmann. Für jemanden, der Rezensionen nutzen möchte, um eine Kaufentscheidung zu fällen, sind das sicher schlechte Nachrichten.

„Notwendig, genau hinzuschauen“

Natürlich sind nicht sämtliche Bewertungen gekauft. Es gibt durchaus Menschen, die ihre Erfahrungen mit anderen teilen möchten. Wenn es sich dabei aber um schlechte Erfahrungen handelt, kann auch das in eine vernichtende Kritik im Netz münden. Unternehmen sollten also stets auf der Hut sein, wer da was im Netz schreibt. Es sei „praktisch notwendig, genau hinzuschauen“, so Stegmann.

Auch in der Heimtierbranche kann es jeden treffen. Für kleinere Einzelhändler beispielsweise ist es wichtig, zumindest in der Suchmaschine Google mit einem Profil dabei zu sein, wollen sie gefunden werden, wenn jemand lokal nach Tierfutter sucht. Das Business-Profil bei Google bringt aber sofort die Möglichkeit für andere Nutzer, Sterne zu vergeben. Eine Gesamtbewertung wird schon in der ersten Ansicht, dem sogenannten Knowledge Panel angezeigt. Da möchte man sicher nicht mit einem oder zwei Sternen zu finden sein.

Kein eigenes Profil anzulegen, ist auch keine Lösung, denn dann tut das vielleicht jemand anderes, weil er mal so richtig Dampf ablassen möchte. Im schlimmsten Fall weiß ein Unternehmen überhaupt nicht, dass längst ein Profil im Netz existiert und dort die eigenen Produkte oder Dienste verrissen werden. Der Geschäftsführer wundert sich dann vielleicht nur, warum denn die Kunden nicht mehr bestellen.

Wertschätzend antworten

Manchen Unternehmen seien Bewertungen im Netz völlig egal, sagt Oliver Stegmann. Wer aber darauf reagieren möchte, hat verschiedene Optionen. Gibt es schlechte Kritiken, die in Form eines öffentlichen Kommentares sachlich begründet werden, kann der Betroffene beispielsweise auf manchen Plattformen darauf antworten, am besten wertschätzend und natürlich ebenfalls sachlich. Das mag im besten Fall dazu führen, dass der Rezensent als Kunde erhalten bleibt, weil er sich ernst genommen fühlt – obwohl er zum Zeitpunkt seiner Kritik offensichtlich unzufrieden mit dem Unternehmen war.

Anders sieht es aus, wenn eine schlechte Bewertung mit einem unsachlichen, übertriebenen oder sogar beleidigenden Kommentar daherkommt. Das sollte das betroffene Unternehmen keinesfalls dulden. Auch wenn eine Bewertung negativ ausfällt und ganz ohne Kommentar sowie sachliche Begründung veröffentlicht wird, kann das Unternehmen einschreiten.

In diesen Fällen gilt es, die Bewertung gegenüber der Plattform, auf der sie erschienen ist, zu beanstanden. Die Plattformen müssten diesen Beanstandungen nachgehen, sagt Rechtsanwalt Stegmann. Die Überprüfungen fielen jedoch je nach Plattform unterschiedlich aus, manche prüften sehr gewissenhaft, andere nicht.

Um es konkret zu machen: Kritisiert beispielsweise ein Rezensent ein Produkt oder einen Dienst, muss er im Falle einer Überprüfung der Plattform beweisen können, dass er tatsächlich Kunde des kritisierten Unternehmens ist und das Produkt gekauft hat, etwa indem er eine Rechnung vorlegt. 

Rechtlich liegt hier dann beim vermeintlichen Kunden die Beweislast. Die Plattform muss diesen Rezensenten dazu auffordern, diesen Beweis anzutreten. „Viele Rezensenten steigen dann sofort aus“, so Stegmann. Soll heißen, sie verzichten auf die Bewertung, um weiteren Aufwand oder Ärger zu vermeiden.

Gröbsten Schaden abwenden

Manche Plattformen verbergen beanstandete Bewertungen sofort, sobald das betroffene Unternehmen auf sie zukommt, selbst wenn die Überprüfung des Sachverhaltes noch gar nicht abgeschlossen ist. Angesichts der Dynamik, die schlechte Bewertungen im Netz aufnehmen können, kann so vielleicht der gröbste Schaden abgewendet werden. Wenn sich die Plattform nicht kooperativ zeigt, kann das Unternehmen unter bestimmten Umständen auch versuchen, per einstweiliger Verfügung gegen die Rezension vorzugehen.

Auch wenn die Sinnhaftigkeit solcher Rezensionen angesichts der angenommenen Fälschungsquoten in Frage gestellt werden darf, gehen die deutschen Gerichte von einer gesellschaftlich wichtigen Rolle aus, die Bewertungsportale und andere Plattformen einnehmen. Die Portale müssen angeben, dass sie die Bewertungen nicht selbst überprüfen, stehen aber in der Pflicht, als Vermittler die Beweislast beim Rezensenten einzufordern, wenn beanstandet wird.

Die von den Gerichten unterstellte Relevanz der Bewertungen bringt es mit sich, dass sich Unternehmen auch harsche Kritik gefallen lassen müssen, wenn sie sachlich begründet wird. Verlässt der Rezensent die Ebene der Sachlichkeit und driftet ab in Schmähkritik und Formalbeleidigungen, sollte das betroffene Unternehmen das nicht auf sich sitzen lassen.

Wie überall, gibt es hier jedoch auch Grenzfälle, beispielsweise, wenn ein Rezensent nur einen Stern vergibt, aber kein Wort dazu verliert und somit auch keine sachliche Begründung liefert. Im Zweifelsfall ist es daher immer hilfreich, sich sogleich Rechtsbeistand zu suchen. Damit aus einem wütenden Kunden nicht eine ausgewachsene Katastrophe wird.

Dominic Heitz