Traditionsunternehmen Claus__Mit Mut zur Veränderung

Dr. Martina Bergmann und Thomas Mayer. Foto: E. Schmidt

Seit über 110 Jahren erfindet sich der Vogelfutterhersteller Claus immer wieder neu, ohne seine Wurzeln zu vergessen. Für das Familienunternehmen in vierter Generation gab es viele Krisen zu bewältigen. Mit seinen Nischenprodukten ist der Hersteller eine feste Größe im Markt.

Vorläufer der Firma Claus gibt es schon seit 1904. Die offizielle Firmengründung unter dem Namen „Claus GmbH“ datiert auf 1911. Der Vogelfutterhersteller hatte sich von Anfang an auf „Naturfutter“ für empfindliche und bedrohte Arten spezialisiert und besonders Futter für Weichfresser im Programm. Firmengründer Alois Eckrich, Hobby-Ornithologe und passionierter Vogelzüchter, verschickte deutschlandweit Ziervogelfutter und eigens gezüchtete Mehlwürmer. Die beiden Schwiegersöhne des Gründers teilten das Unternehmen dann in zwei unterschiedliche Firmenzweige auf: Aleckwa und Claus.

Während die Produkte beider Unternehmen ähnlich blieben, richteten sie sich an unterschiedliche Kundenkreise. Die Claus GmbH hatte vor allem die Zoofachhandlungen im Visier, Aleckwa profilierte sich als Lieferant für Zoologische Gärten und Züchter. Seit 2012 sind beide Unternehmen fusioniert und bieten als Claus GmbH Ziervogelfutter für heimische und exotische Arten sowie Freifutter zur artgerechten Ganzjahresfütterung von Wild- und Gartenvögeln, Igeln und Eichhörnchen.

Mehlwürmer gezüchtet

Einen großen Anteil des Geschäfts machte das Unternehmen lange Zeit mit der Zucht und dem Handel von Mehlwürmern im großen Stil. „Die Zucht haben wir Anfang der 90er Jahre aufgegeben und zuerst noch Mehlwürmer von ausländischen Zuchten gekauft und weiter vertrieben“, erzählt Geschäftsführer Thomas Mayer, Urenkel des Firmengründers. Es sei zu teuer und aufwändig geworden, die Tiere in den nachgefragten Mengen selbst zu züchten.

„Die Nachfrage war riesig, so dass irgendwann auch die Versorgung der Futtertiere und das Verschicken der ‚lebenden Ware‘ zu viel wurde“, erzählt Mayers Ehefrau Dr. Martina Bergmann, Marketing -und Vertriebsleiterin des Unternehmens. „Wir haben da zum Schluss rund 10.000 Kilo pro Jahr verkauft.“ Die Mehlwürmer wurden mit ihrem Futter vermischt gelagert, in Kübeln mit Luftlöchern. Vor dem Versand musste ausgesiebt werden. „2017 haben wir den Versand mit lebenden Futtertieren generell beendet“, so Mayer. Auch Heimchen, Grillen und andere Lebendtiere sind nicht mehr im Versand.

In getrockneter Form sind Insekten allerdings weiterhin eine Grundlage vieler firmeneigener Produkte. Auch die ursprüngliche Ausrichtung des Unternehmens auf die Versorgung von Weichfressern, vor allem mit Insekten und feinen Sämereien, hat sich heute verändert. „Um 1910 holten sich die Leute noch Vögel aus dem Wald und hielten diese dann in Volieren“, sagt Thomas Mayer. Bis in die 90er Jahre wurden exotische Weichfresser wie Beos, Loris, aber auch Sonnenvögel oder Glanzstare importiert und vielfach gehalten. Dementsprechend sah auch das Produktportfolio des Vogelfutterherstellers aus: Man konzentrierte sich auf Spezialfutter für diese Arten und bediente damit eine Nische im Markt.

Neuorientierung Anfang der 2000er Jahre

Anfang der 2000er Jahre wurde es Zeit für eine Neuorientierung, da die Importe von Ziervögeln aus Artenschutzgründen stark eingeschränkt wurden. Entsprechend weniger fanden diese Vögel ihre Wege in die deutschen Wohnzimmer-Volieren. „Wir haben in Zusammenarbeit mit Biologen, Tierärzten sowie Fachleuten für Tiernahrung neue Produkte entwickelt und tun das noch“, erzählt Thomas Mayer.

Neben dem Ziervogelfutter für Weichfresser sind nun Produkte für Körnerfresser im Programm. Auch die ganze Produktpalette rund um die Fütterung der Wild- und Gartenvögel ist dadurch entstanden, sowohl für Weich- und Insektenfresser als auch für Körnerfresser. Zusätzlich gibt es ausgefallene Nischen-Produkte für den Artenschutz, zum Beispiel ein Nestlingsfutter-Set, Kolibri-Nektar, Keimfutter, Futter für Igel und Eichhörnchen, Igelmilch und Futterhäuschen – sogar ein schön gestaltetes Igelbuch hat der Futtermittelhersteller herausgebracht.

„Die Produktpalette hat sich stark gewandelt, da die Bedingungen für die Ziervogelhaltung andere sind. Wir haben zusätzlich für den britischen Zootierfutterhersteller Mazuri Zoo Foods sowie für den kanadischen Hersteller Hari Premium-Papageienfutter die Vertretung in Deutschland und einigen Nachbarländern übernommen“, so Mayer. Die Nachfrage sei hier wachsend: „Kaum ist der Seecontainer angekommen, ist er schon wieder geplündert.“Wegen des Brexits seien die Transportkosten für die Produkte des britischen Herstellers Mazuri Zoo Foods explodiert.

Getreide und getrocknete Insekten

In den Produkthallen des Firmengeländes von Claus, das sich über rund 2.500 Quadratmeter erstreckt und auch Kühlhallen umfasst, lagern die Rohstoffe in den Regalen. Den größten Anteil machen Weizen und Haferflocken aus; es gibt Säcke voller getrockneter Insekten, indischer Krebse, aber auch Erdnüsse, Soja, Traubenzucker oder fertiger Chinchilla-Pellets. Die Produkte werden palettenweise angeliefert oder in sogenannten Big Bags, die in der Regel 600 Kilogramm enthalten, manchmal sogar eine ganze Tonne. Nach dem Abwiegen kommen sie entsprechend der Rezepturen in die großen Mischmaschinen.

„Nach wie vor produzieren wir viel Futter auf Insektenbasis. Wir verarbeiten im Jahr etwa 98.000 Kilogramm Insekten“, sagt Mayer. „Wir legen selbst hohen Wert auf Qualität. Außerdem müssen wir auf gesetzliche Vorgaben achten, was die Qualitätssicherung betrifft“, so der Geschäftsführer. Das Unternehmen arbeitet deshalb nach dem Qualitätssicherungssystem HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points, deutsch: Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte), ein international verbindliches Qualitätsmanagement-System für Lebensmittel.

Futtermittelhersteller werden unter anderem von Futtermittelbehörden und Veterinärämtern streng kontrolliert, ähnlich der Hersteller für die Lebensmittelproduktion. Durch die Skandale in der Lebensmittelproduktion sind auch in der Futtermittelherstellung die Anforderungen höher geworden. Nachhaltigkeit ist ein großes Thema, das auch die Zoofachhandlungen und die Endkunden interessiert. Bezieht man Produkte aus aller Welt, gibt es da einiges zu beachten. „Nach der Fusion haben wir alle Rezepturen überprüft und alles rausgenommen, was wir als nicht tragbar empfunden haben“, so Mayer. Das heißt zum Beispiel: reine Naturprodukte, kein Zucker im Futter, keine Gentechnik, keine künstlichen Konservierungsstoffe, keine schädlichen Zusatzstoffe.

„Viele unerwünschte Stoffe können sich schon in den Rohstoffen verbergen. Deshalb müssen wir auch prüfen, ob die Rohstoffe unserem Qualitätsanspruch entsprechen und entsprechend zertifiziert sind.“ Das habe die Produktion teurer gemacht und es sei nötig gewesen, Lieferanten zu wechseln. „Wir brauchen vertrauenswürdige Lieferanten“, sagt Mayer. Das sei wichtig, denn die Kunden wiederum vertrauen dem Hersteller und wollen sich auf die Qualität der Naturprodukte verlassen können.

Eva Schmidt