Tierführender Zoofachhandel__Unternehmen unter Druck

Foto: Kölle Zoo

Radikale Tierschützer, steigende Haltungskosten, verändertes Einkaufsverhalten der Kunden: Der tierführende Zoofachhandel ist seit Jahren unter Druck. Mit den explodierenden Energiepreisen verschärft sich die Lage für viele jetzt dramatisch. Aber sowohl für Tiere als auch Branche ist die Beratung im Geschäft immens wichtig.

Dieter Quecks Kundin war verzweifelt. Sie hatte ein Aquarium bei einem großen Online-Händler gekauft. „Für 80 Euro“, sagt Queck. „Bei mir hätte es 100 gekostet“. Zehn Tage nach Inbetriebnahme ging dann eine Leuchtdiode kaputt. Die Frau machte daraufhin ihre Garantieansprüche geltend. Der Online-Händler wollte aber nicht eine einzelne LED nachliefern, sondern forderte das gesamte Aquarium zurück, um der Kundin dann ein komplett neues als Ersatz zukommen zu lassen.

„Ich hab ihr dann die Leuchte für 50 Euro besorgen können“, sagt Queck. Am Ende kam der Frau das Internet-Schnäppchen also erheblich teurer zu stehen. „Hätte sie das Aquarium bei mir gekauft“, sagt der Betreiber des Aquaristik-Fachhandels in Burgdorf, „hätte ich ihr die Leuchte kostenlos ausgetauscht.“

Queck ist seit Jahrzehnten Zoofachhändler, verkauft in seinem Geschäft Fische mit allem Drumherum. Er hat erlebt, wie sich die Zeiten ändern: Früher hätte er vom Aquarium bis zum Fisch alles an die Kunden verkaufen können. Jetzt bleiben bei manchem Halter nur die Fische, den Rest holt sich der Aquarianer anderswo, im Internet zum Beispiel, wie die Frau mit der kaputten Leuchtdiode.

Enormer Preisdruck

Schon bevor die Energiepreise explodierten, war die Ausstellung der Tiere aus kaufmännischer Sicht wenig lukrativ. Geld wurde eher mit Futter und Zubehör verdient. Doch dort herrscht mittlerweile ein enormer Preisdruck, der sich angesichts der Inflation weiter verstärken dürfte. Tierhalter können jeden Euro eben nur einmal ausgeben und schauen genau, wo sie einen für sie akzeptablen Preis für ein Produkt bekommen.

Dass früher trotzdem praktisch jeder Zoofachhandel Tiere im Laden hatte, war dem Selbstverständnis derjenigen geschuldet, die sich jeden Tag um die Tiere kümmerten. Der klassische Zoofachhandel verstand sich stets als Aushängeschild für die Heimtierhaltung und als Anlaufstelle für Beratung rund um die Tiere. „Bei uns wird immer erst beraten, dann verkauft“, sagt Dieter Queck. Gut für die Tiere, deren Halter aufgeklärt aus dem Laden gehen. Gut für das Geschäft, war der Zoofachhändler eine Vertrauensperson und Anlaufstelle für Heimtierhalter. Mittlerweile kaufen viele Halter nicht nur Bedarfsartikel im Netz, sondern auch die Tiere selbst.

Großer Beratungsaufwand

Auch Marion Beinlich spürt in ihrem „Zooparadies Seupel“ den Druck. Auf rund 500 Quadratmetern Fläche verkauft sie in Celle mit ihrem Team Fische, Vögel und Kleintiere – und betreibt dafür einen enormen Beratungsaufwand. „Ein Geschäft ohne Tiergeräusche kann ich mir nicht vorstellen“, sagt die Unternehmerin. Aber auch sie kämpft mit den Kosten der Haltung. Ihre Kunden lassen sich bei ihr gern beraten, kaufen dann aber nicht selten die Produkte anderswo. „Von den Fragen der Kunden allein können wir aber nicht leben“, sagt Beinlich.

Viele Zoofachhändler spielten mit dem Gedanken, den Tierverkauf einzustellen, sagt sie. Manche hätten es schon getan. Weil Fachhändler beim Verkauf von Fischen, Vögeln und Kleinsäugern nichts am Tier verdienen, müssen sie sich ihre Margen dann bei den Bedarfsartikeln holen – sofern die Kunden bei ihnen nicht nur die Beratung abgreifen, sondern auch die Produkte. „Wenn wir keine Tiere mehr verkaufen, verkaufen wir auch kein Futter mehr“, sagt Marion Beinlich.

Hohe Ansprüche

Zoofachhandel ohne Tierverkauf, das ist auch für Sylvia Parmentier undenkbar. Die Tierärztin leitet den tierärztlichen Dienst bei „Kölle Zoo“. Parmentier glaubt, dass entlang der kompletten Wertschöpfungskette die gesamte Branche darunter leiden würde, gäbe es keine Tiere im Zoofachhandel mehr zu kaufen.

Viele Tiere würden mittlerweile im Internet gekauft. „Das ist nicht gut für das Tierwohl“, sagt sie. Dort hätte häufig niemand ein Auge darauf, unter welchen Umständen die Tiere gezüchtet und gehalten werden, vor allem im Ausland nicht. Das stachelt Gegner der Heimtierhaltung an, Stimmung gegen die Branche zu machen.

Der tierführende Zoofachhandel jedoch muss längst den hohen Ansprüchen der Veterinärämter gerecht werden. Und auch wenn es vereinzelt schwarze Schafe gebe, die der gesamten Branche schadeten, würden die allermeisten Zoofachhändler diesen tierschutzrechtlichen Anforderungen gerecht und machten einen guten Job, so Parmentier.

Beratung auf Top-Niveau

Das Wissen um die Tiere und darauf aufbauend die Qualität der Kundenberatung im Zoofachhandel suchen sicherlich in anderen Branchen ihresgleichen. Genau hier liegt auch ein weiteres wichtiges Argument für den Tierverkauf, denn das Wissen um die Lebewesen muss zwingend zum Halter gelangen. Und manchmal muss man einem Interessierten vielleicht auch sagen, dass ein bestimmtes Tier nicht das richtige für ihn ist.

Marion Beinlich und ihre Mitarbeiter lassen sich beispielsweise Fotos von den Behausungen zeigen, bevor sie Tiere dorthin verkaufen. „80 Prozent der Kunden finden das auch in Ordnung, der Rest wird auch mal beleidigend oder schreibt eine negative Bewertung im Internet“, sagt sie. Auf solche Bewertungen reagiert das „Zooparadies Seupel“ natürlich, was wiederum Zeit und Geld kostet.

Für das Tierwohl

Sylvia Parmentier von „Kölle Zoo“ fürchtet zudem, dass der Markt insgesamt schrumpft, wenn der Zoofachhandel sich komplett aus dem Tierverkauf verabschiedet. Bislang waren die Fachgeschäfte für viele Heimtierhalter eine zentrale Anlaufstelle, vom Tier bis zum Bedarf. Nicht jeder würde für ein Kaninchen weite Wege bis zum nächsten Züchter auf sich nehmen, wenn er es nicht mehr im Zoofachhandel vor Ort bekommt.

Parmentier glaubt, dass dann insgesamt weniger Tiere verkauft würden, und die dann auch noch verstärkt abseits von Kontrollen – nicht gut für das Tier und auch nicht gut für den Markt. Das Beste wäre es, so die Tierärztin, wenn der Verkauf weiter im Zoofachhandel stattfinden würde. „Wir bei ‚Kölle Zoo‘ wollen die Tiere zeigen. Wir glauben daran, dass wir die richtige Anlaufstelle dafür sind.“

„Wir brauchen Unterstützung“

Ob es den einzelnen Zoofachhändlern gelingt, das Modell aus Verkauf von Tieren und Bedarf zusammenzuhalten, hängt natürlich auch von den Rahmenbedingungen ab. Einige Hersteller der Branche wollen dem Einzelhandel angesichts der Schwierigkeiten helfen und bieten dem tierführenden Handel besondere Nachlässe, etwa für den Bedarf der Tiere im Geschäft.

„Wir brauchen da Unterstützung“, sagt Dieter Queck hinsichtlich der Zusammenarbeit in der Branche. Und Sylvia Parmentier spricht von einer Win-Win-Situation, wenn Lieferanten die Händler mit Tierverkauf unterstützten. Nicht zuletzt würde das auch den Absatz ankurbeln. Denn das, was der Zoofachhändler an die Tiere im Laden verfüttert, empfiehlt er natürlich auch seinen Kunden.

dh