Qualzuchten verhindern__Klare Regeln und gesellschaftliche Aufklärung gefordert

Foto: ZZF/Bolesch

Selten herrschte bei einer Podiumsdiskussion des ZZF – Zentralverband der Heimtierbranche eine so große Einigkeit wie bei „Qualzucht verhindern“ beim Parlamentarischen Abend am 3. November in Berlin. Egal ob geplante Zucht oder versehentlich ausgeprägt – Merkmale, die bei Heimtieren für Leid, Schmerz oder gesundheitliche Probleme sorgen, waren für alle ein absolutes No-Go.  

„Qualzucht verhindern“ lautete der Titel der Veranstaltung, zu der der ZZF in die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft nach Berlin eingeladen hatte. Das Interesse an der Veranstaltung, für die Anna Aeikens von der CDU-Bundestagsfraktion, die Schirmherrschaft übernommen hatte, war sehr groß. Insgesamt kamen rund 80 Teilnehmer, darunter Vertreter der Heimtierbranche aus Handel und Industrie, befreundete Verbände sowie Verbände der Tierärzteschaft. Ebenso waren der Einladung zahlreiche politische Vertreter gefolgt wie die neue Bundestierschutzbeauftrage und Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat Silvia Breher und die drei Landestierschutzbeauftragten aus Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen.

In ihrem Grußwort betonte Anna Aeikens, selbst mit vielen Tieren großgeworden, dass es sich um ein sehr emotionales Thema handele, wobei Tierfreunde eigentlich gute Bedingungen für ihre Heimtiere wollten. Gleichzeitig beobachte sie aber mit Sorge, welche Trends sich in der Tierhaltung niederschlagen.

ZZF-Präsident Norbert Holthenrich machte in seiner Begrüßung darauf aufmerksam, dass bei der Beurteilung und Einschätzung von Qualzuchten manches nicht klar geregelt beziehungsweise überholt sei. Zudem seien nicht nur Hunde und Katzen von sogenannter Extrem- oder Defektzucht betroffen, sondern auch Tiere, die nicht so prominent in der Öffentlichkeit stünden. Deshalb sieht der Verband dringenden Handlungsbedarf und fordert mehr Forschung, Rechtssicherheit und Aufklärung. „Um Qualzucht zu vermeiden, muss man sich erst einmal einig sein, was Qualzuchtmerkmale sind. Aktuell ist dem nicht so. In unseren Qualitätsstandards, den sogenannten Heidelberger Beschlüssen, ist die Vermeidung von Qualzuchten ein wichtiger Grundsatz. Leider ist diese Liste jedoch veraltet und deckt viele neu entstandene oder veränderte Zuchtformen nicht mehr ab. Das führt dazu, dass Behörden, Tierärzte und Züchter bei der Beurteilung häufig zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Es fehlt also eine einheitliche rechtliche Grundlage, die klar definiert, in welcher Ausprägung ein Merkmal oder eine Zuchtform als Qualzucht gilt“, führte Holthenrich aus. Dem Verband ist dieses Problem ein wichtiges Anliegen, weshalb er kürzlich die Landingpage www.qualzucht-verhindern.de mit entsprechenden Videos initiiert hat, um eine breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren und aufzuklären.

Wie wichtig solches Wissen ist, machte die von ZZF-Kommunikationsleiterin Antje Schreiber moderierte Gesprächsrunde deutlich. So forderte Professor Dr. Achim Gruber, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Tierpathologie der Freien Universität Berlin und Autor des Buches „Das Kuscheltierdrama“, klare Regeln für die Zucht. Es müsse mutig eine Grenze gezogen werden, was nicht machbar sein darf. Keiner wolle kranke Tiere, doch aufgrund gewünschter Zuchtziele würden bestimmte Nebenwirkungen in Kauf genommen. Dank moderner Molekular-Genetik-Forschung sei dieser Zusammenhang inzwischen gut darstellbar.

Volker Ennenbach, Inhaber des Zuchtbetriebes „Das Tropenparadies“ und ZZF-Vorstand, konnte aus seiner Praxis schildern, dass auch in der Reptilienzucht Qualzuchten auftreten. Insbesondere weil 95 Prozent der Tiere Nachzuchten und keine Wildentnahmen aus der Natur seien. Tiere mit besonderen Zeichnungen oder Farbschlägen könnten gesundheitliche Probleme wie Gleichgewichtsstörungen oder Geschwüre entwickeln. Deshalb sei er als Züchter darauf angewiesen, dass die Forschung einen klaren Rahmen setze.

Dr. Christine Bothmann, Präsidentin des Bundesverbandes der beamteten Tierärzte (BbT) kritisierte, Züchtern sei oft bewusst, dass etwas nicht stimmen könne, wenn zum Beispiel bei einem Wurf Totgeburten zu beklagen seien. Diese würden jedoch wegen bestimmter gewünschter Zuchtziele geduldet. Ihrer Meinung nach benötige es kein neues Qualzucht-Gutachten, sondern eindeutige gesetzliche Regelungen.

Auch Anna Aeikens bestätigte, dass das Wissen schon vorliege, man es eigentlich nur zusammentragen müsse. Außerdem müsse den Tierhaltern vermittelt werden, dass für Tiere mit Qualzucht-Merkmalen enorme Tierarztkosten entstehen könnten. Gesellschaftliche Aufklärung sei ein zentrales Element um Qualzuchten zu verhindern, darüber waren sich alle Diskutanten einig: Damit ein Umdenken stattfindet und bestimmte Tiere nicht mehr gewünscht würden – so wie früher mit den Pelzmänteln, die irgendwann nicht mehr tragbar waren.

Beim anschließenden Get-together suchten die Teilnehmer den weiteren intensiven Austausch mit Politik, Verbänden, Handel und Industrie.    Sabine Gierok

Einen ausführlichen Bericht finden Sie in der kommenden Dezember/Januar-Ausgabe des zza.