Trendforum Retail 2024__Handel zwischen Daten- und Erlebnisraum
Vom 25. bis 26. September 2024 dreht sich wieder alles um den stationären Einzelhandel beim Trendforum Retail in Frankfurt am Main. Fachleute, Inhaber und Entscheider aus Handelsunternehmen, Ladenbau, IT und Industrie sprechen über neue Konzepte und Ideen für die Zukunft des stationären Handels.
Der Handel müsse umgestaltet werden, damit er eine Renaissance erlebt, steht auf der Internetseite der Netzwerkveranstaltung. zza hat den Organisator und Handelsberater Daniel Schnödt gefragt, über welche Umgestaltungen Händler sich Gedanken machen sollten.
zza: Was können und sollten Händler heute tun, damit sie den Anschluss an eine sich stetig weiterentwickelnde Handelsbranche nicht verlieren?
Daniel Schnödt: „Veränderung ist das Gesetz des Lebens. Und wer nur in die Vergangenheit oder Gegenwart blickt, verpasst mit Sicherheit die Zukunft“, sagte schon John F. Kennedy. Zum einen müssen Unternehmen auf die digitalen Anforderungen antworten können. Dazu gehören Prozesse, Kommunikation und Verkauf – also drei Säulen, die betrachtet werden müssen. Jede Säule für sich bedeutet aber auch eine immense zeitliche und monetäre Aufwendung. Von daher sollte man sich zuerst mit den organisatorischen Prozessen, gefolgt von der Kommunikation und abschließend mit dem Verkauf über digitale Kanäle und Plattformen beschäftigen.
Neben dem aktuellen Diskurs zu E-Commerce, künstlicher Intelligenz et cetera, die unser Leben beherrschen, gibt es natürlich auch Gegentrends, beispielsweise die Fokussierung auf die eigene Zielgruppe. Menschen verlieren zunehmend Halt und Orientierung im gesellschaftlichen Leben. Der sogenannte dritte Ort als Treffpunkt einer Community ist im öffentlichen Raum nicht mehr auffindbar – für den Einzelhandel besteht hier die Möglichkeit, diese Rolle zu übernehmen.
zza: Wie sieht diese Rolle des stationären Handels aus?
Schnödt: Der stationäre Einzelhandel übernimmt die Rolle des dritten Ortes, eines Culture Spaces oder Real Time Clubhouses. Hybride Räume werden entstehen, die zum einen das Produkt, das Unternehmen, aber eben auch die Kultur in den Mittelpunkt rücken. Dabei ist es notwendig, Produkte und Marke zwar als erste Orientierung und Magnet zu präsentieren, aber es ist auch klar, dass alle drei Funktionen in einem Raum nicht erfolgreich gelebt werden können. Sebastian Kemmler (Gründer und Geschäftsführer der auf Cultural Marketing spezialisierten Kreativagentur Kemmler Kemmler, Anmerkung der Redaktion) beschreibt solche Konstrukte sinnigerweise als Frankensteinstore, die nicht überlebensfähig sein werden. Der Händler muss für sich entscheiden, was er spielen möchte. Mit dem Produkt stehen der Verkauf und Umsatz im Mittelpunkt. Damit ist auch immer eine hohe Sortimentsdimension − bei gleichzeitiger Preisorientierung − verbunden.
Eine reine Markenorientierung können sich nur die großen Filialisten leisten. Diese Brandstores stehen in den Highstreets und gelten bekanntermaßen als Marketing- und Kommunikationsinstrument. Culture Stores orientieren sich zunehmend an den Bedürfnissen und Aktivitäten der Zielgruppe. Um dies zu verdeutlichen, stehen nicht mehr saisonale Ereignisse wie Black Friday oder Saisonstart im Vordergrund, sondern vielmehr kulturelle Ereignisse, wie Konzerte et cetera. Damit verliert der Raum zunehmend Warenfläche zu Gunsten von Kundenflächen. Um dies zu kompensieren, benötigt der Händler natürlich alternative Abverkaufskanäle oder digital sichtbare Verfügbarkeiten.
zza: Braucht der Handel starke Partner und Communities, die für zusätzliche Frequenz sorgen – auf der Fläche und online?
Schnödt: Ein perfektes Orchester gewinnt Zuhörer, wenn Sie einen bekannten Solisten an Bord holen. Also müssen sich Händler diese Solisten aus der Wertschöpfungskette auf die Fläche holen. Dies können natürlich Lieferanten sein, mit denen man Highlights zeitlich begrenzt auf der Fläche spielt, aber auch Kunden oder Mitarbeiter können diese Rolle zunehmend übernehmen. Gerade in der digitalen Welt suchen Menschen Sichtbarkeit – als Händler können Sie diese Bühne bieten. Im großen Stil machen das bekannte Händler wie Breuninger mit Lifeshopping-Aktionen, aber auch mit Corporate Influencern aus dem Unternehmen. Somit entstehen automatisch Culture Interfaces, also Schnittstellen und Knotenpunkte, die als Verteilerstationen auch außerhalb des Geschäftes für Furore sorgen können.
zza: Inwiefern lohnt sich Social-Marketing oder -Commerce für den stationären Handel?
Schnödt: In diesem Zusammenhang kann man natürlich auch Social Platforms wie Facebook, Pinterest oder Instagram als digitale Regalverlängerung nutzen. Manchmal reichen aber auch kleinere WhatsApp-Gruppen des Unternehmens oder der Mitarbeiter.
zza: Wo sehen Sie erfolgsversprechende Ansätze für einen nachhaltigen und ethischen Handel?
Schnödt: Nachhaltigkeit ist ein notwendiger Hygienefaktor. Also nicht mehr aus den strategischen Entscheidungen wegzudenken. Diese Notwendigkeit bedeutet im ersten Schritt immer auch Ausgabe und Investition, die sich erst zeitlich verzögert positiv auswirken kann. Licht ist hier wohl das einleuchtendste Beispiel, da hier ein Return of Invest manchmal schon nach einem Jahr realisiert werden kann. Nachhaltigkeit bezieht sich aber auch auf Mitarbeiter, Kunden und den Erfolg des Unternehmens. Bevor man hier strategisch arbeitet, sollte man mindestens zwei Partner mit ins Boot holen: die Mitarbeiter und ausgesuchte Lieferanten, die bereits erfolgreich mit diesem Thema arbeiten.
zza: KI im Handel – Kostenfalle oder Notwendigkeit?
Schnödt: Erst einmal muss man wissen, was KI eigentlich bedeutet oder ist. Per se ist es die Nutzung aller Ressourcen, um punktgenaue Vorhersagen machen zu können. Hat sich ein Kunde also einen bestimmten Hund gekauft, ernährt ihn auf bestimmte Weise, berechnet die künstliche Intelligenz, was der Kunde möchte, wenn er den Laden betritt. Das geht so weit, dass KI Ihnen sagen kann, was der Kunde benötigt, ohne es zu wissen. Das kann ein guter Verkäufer aber auch, denn dieser hat das notwendige Fachwissen – also die Ressourcen und eine Beziehung zum Kunden. Erfolgreiche Händler setzen stärker auf den Mitarbeiter als auf solche Instrumente. Es gibt aber sicherlich KI gesteuerte Bausteine, die Prozesse und Organisationen optimieren. Dazu gibt es eine Vielzahl an Plattformen, die hier ihre All-in-One-Lösungen anbieten. Eingeschlossen sind hier Kassensysteme, Warenwirtschaft, Finanzbuchhaltung bis hin zu Mobile Apps für Mitarbeiter und Kunden. Diese Dienstleister bieten dabei in den ersten Schritten Bausteine an, um die Kosten so klein wie möglich zu halten. Also eine Zug-um-Zug-Entwicklung.
Auf unserem Trendforum gibt es Impacts und Vorträge dazu von Scala und IRL vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz als digitale Anknüpfungspunkte. Kemmler Kemmler und Massif Central sind als Zielgruppenspezialisten bis hin zur Architektur dabei und natürlich die Beispiele von Henschel, Breuninger oder Paper & Tea.
Zur Anmeldung zum Trendforum-Retail geht es hier: https://www.trendforum-retail.de/
Zur Person
Daniel Schnödt arbeitete nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre zehn Jahre in Führungspositionen von Karstadt und K&L Ruppert. Der Handelsexperte ist Gründer des Beratungsnetzwerkes Teamscio und der Fachtagung Trendforum Retail. Seit 2004 arbeitet er für den Handelsverband Deutschland als Jurymitglied für den Store of the Year und kommentiert Entwicklungen im Handel in seiner Audio- und Video-Podcastreihe „Trendakademie-Retail“.