Haltung__Nordrhein-Westfalen plant wieder ein Gifttiergesetz

Kommt das Gifttiergesetz in Nordrhein-Westfalen? (Foto: Arek Socha/Pixabay)

(RA Rössel) Nachdem in Nordrhein-Westfalen ein erster Versuch, die Haltung gefährlicher Tiere zu regeln, nicht weiterverfolgt wurde, ist jetzt im zweiten Anlauf ein Gesetz zu erwarten, das sich nur mit der Haltung giftiger Tiere befasst, hier aber weitreichende Verbote vorsieht.

Folgende Regelungen sind geplant: Grundsätzlich soll die Haltung „sehr giftiger Tiere“ verboten werden. Folgende Arten sind als „sehr giftig“ eingestuft:

- alle Giftschlangenarten im engeren Sinne (Familien Viperidae, Atractaspididae und Elapidae)
- aus der Familie der Colubridae folgende Gattungen: Ahaetuklla, Boiga, Psammophis, Dispholidus, Thelotornis  und die Art Rhabdophis tigrinus
- alle Arten folgender Skorpiongattungen: Androctonus, Buthacus, Buthus, Centruroides, Hottentotta (Buthotus), Leiurus, Mauritanobuthus, Mesobuthus, Parabuthus, Tityus, Bothriurus, Hemiscorpius und Nebo
- alle Arten folgender Spinnengattungen: Atrax, Hadronyche, Illawara, Latrodectus, Loxosceles, Sicarius, Phoneutria, Poecilotheria

Unterarten und Hybridformen sind gleichfalls erfasst. Dass man ausschließlich ganze Gattungen aufzählt und dann die Selbstverständlichkeit erwähnt, Unterarten der aufgezählten Arten (sic!) seien gleichfalls erfasst, überrascht. Es ist darüber hinaus vorgesehen, dass das zuständige Ministerium eine Verordnung erlassen und weitere Tiere als „sehr giftige Tiere“ einstufen kann.

Ausgenommen vom Haltungsverbot sind insbesondere Zoos im Sinne des Paragrafen 42 Bundesnaturschutzgesetz, Börsenveranstalter und gewerbliche Tierhändler, denen es allerdings untersagt ist, Tiere zur Haltung in Nordrhein-Westfalen abzugeben, soweit der Empfänger der Tiere nicht ebenfalls von dem Verbot ausgenommen ist.

Wer „sehr giftige Tiere“  zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung bereits hält, darf sie behalten. Die Meldung des Altbestandes hat innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erfolgen. Wer die Haltung der Tiere fortsetzen will, hat innerhalb von vier Wochen nach der Anzeige die Vollendung des 18. Lebensjahres, die persönliche Zuverlässigkeit und das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen. Wer sich von seinen „sehr giftigen Tieren“ trennen  will, kann sie, ohne dass ihm dadurch Kosten entstehen, an das Landesamt abgeben. Die Zuverlässigkeit, die durch Vorlage eines Führungszeugnisses nachzuweisen ist, ist in der Regel dann zu verneinen, wenn Verurteilungen unter anderem wegen Gewaltstraftaten oder Verstößen gegen tier- und artenschutzrechtliche Vorschriften aktenkundig sind.

Bundesweit einmalig und von besonderer Bedeutung für den Fachhandel und überhaupt für alle gewerblichen Anbieter gefährlicher Tierarten ist Paragraf 8 des neuen Gesetzes: Die verbotswidrige Haltung eines giftigen Tieres ist in Nordrhein-Westfalen eine Straftat und nicht nur eine Ordnungswidrigkeit – der Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Auch die Abgabe eines Tieres an eine Stelle innerhalb von Nordrhein-Westfalen, die zur Haltung nicht befugt ist, ist eine Straftat.

Für den gewerblichen Anbieter bedeutet das, dass künftig keinesfalls mehr ein gefährliches Tier abgegeben werden darf, ohne sich über die Person des Käufers und deren Wohnsitz durch Vorlage eines Personalausweises Sicherheit zu verschaffen und das Dokument auch zu kopieren. Das gilt für alle Anbieter, nicht nur für Anbieter aus Nordrhein-Westfalen. Jeder, der „sehr giftige Tiere“ an einen Bürger von Nordrhein-Westfalen verkauft, der keine entsprechende Erlaubnis hat, macht sich strafbar. Verstöße gegen die Anzeigepflicht und gegen das Gebot des Bestehens einer Haftpflichtversicherung werden als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Schwächen im Gesetz

Nach Auffassung des Verfassers ist das Gesetz von zahlreichen Schwächen durchzogen. Nach wie vor – das war schon Thema bei zahlreichen anderen Regelungen, die sich um gefährliche Tiere drehten – ist kein Grund ersichtlich, warum ein Privathalter, der seine Sachkunde und Zuverlässigkeit sowie die Sicherheit seiner Tierhaltung nachgewiesen hat, schlechter gestellt wird als ein gewerblicher Tierhalter. Das ist unverändert ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes. Dass der allergrößte Teil der privaten Halter gefährlicher Tiere höchst sachkundig ist und sie ausbruchsicher hält, wird vollkommen übersehen, wobei es engagierten Züchtern in vielen Fällen möglich sein dürfte, ihre Zucht mit geringem oder gar keinem Gewinn, aber eben als angemeldetes und genehmigtes Gewerbe, zu betreiben.

Die Tierliste ist wieder einmal von Unkenntnis geprägt. Warum werden giftige Tiere nur teilweise aufgenommen? Es fehlen beispielsweise Krustenechsen und Komodowaran. Was ist mit gefährlich giftigen Fischen wie Rotfeuerfischen und anderen Arten?

Nicht nachvollziehbar ist auch die Beschränkung auf giftige Arten. Die durchaus handelsrelevanten wirklich großen, gefährlichen Riesenschlangenarten, die Crocodylidae im weiteren Sinne und die gefährlichen Großsäugetiere bleiben vollkommen unbeachtet.

Was soll mit den Nachzuchten aus rechtmäßig gehaltenen Altbeständen geschehen? Sogar das Bundesverfassungsgericht hat (zur hessischen Regelung des Paragrafen 43a Hessisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz) ausdrücklich festgehalten, dass die Nachzucht erlaubt ist (Az.: 1 BvR 2639/08). Gleiches gilt für das geplante Gesetz in Nordrhein-Westfalen: Die Nachzucht ist ausdrücklich nicht verboten. Aber was ist, wenn die Nachzuchttiere auf einmal da sind? Und: Kann die Nachzucht einer gefährdeten Art überhaupt untersagt werden, ohne dass damit gegen artenschutzrechtliche Vorschriften und Grundgedanken verstoßen wird? Eier einer giftigen, besonders geschützten Tierart zu zerstören, ist naturschutzrechtlich schon rechtswidrig.

Wer seinen Altbestand weiterhin rechtmäßig halten möchte, muss dafür nicht nachweisen, dass seine Gehege maximal ausbruchsicher sind und dass er einen Notfallplan für den Fall eines Bisses bereit hält (Notrufnummern, Hinweise auf Serumdepots et cetera).

Entscheidend ist folgendes: Jedes Gesetz muss nicht nur geeignet sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen, hier also die Vermeidung von Gefahren. Es muss auch verhältnismäßig sein. Das heißt, eine Regelung muss „mildestes Mittel“ bleiben, darf also in die Rechte einzelner nur so weit eingreifen, wie es unbedingt notwendig ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das ist hier nicht der Fall.

Strenge Haltungsvoraussetzungen, diese aber verbunden mit der Möglichkeit, dass auch nichtgewerbliche, sachkundige und verantwortungsvolle Privathalter die Möglichkeit behalten, giftige Tiere in einer sicheren Anlage zu halten, sind genauso geeignet zur Gefahrenabwehr wie das geplante Gesetz, greifen aber weit weniger in die Rechte Einzelner ein. Auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist das geplante Gesetz zu beanstanden. Natürlich soll die Haltung gefährlicher Tierarten nicht ohne jede Kontrolle möglich sein. Andererseits kann es jedoch auch nicht angehen, mit überzogenen und rechtswidrigen Regelungen einerseits in rechtlich bedenklicher Weise die verantwortungsvollen Halter und Züchter giftiger Tiere unangemessen einzuschränken, andererseits die Halter ebenso gefährlicher Arten, die durch Größe und Kraft Menschen und Tiere gefährden können, weiterhin völlig unkontrolliert zu lassen. Es bleibt zu hoffen, dass man sich noch zu einer Überarbeitung des Gesetzes entschließt.