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Kapazitäten wandern ab__Exodus der Industrie?

Foto: emirkrasnic/Pixabay

30 Prozent der in West- und Südeuropa ansässigen Unternehmen planen den Abzug von Personal oder Standorten in den kommenden fünf Jahren. Das hat das Beratungshaus Horváth herausgefunden. Insgesamt werden weltweit eher Personalkapazitäten auf- als abgebaut, dies jedoch vor allem in Indien, Nordamerika und China.

International tätige Unternehmen aus der produzierenden Industrie planen eine regionale Verlagerung ihrer Kapazitäten. Während innerhalb der nächsten fünf Jahre fast jedes dritte Unternehmen an Standorten in West- und Südeuropa Personalkapazität abbaut, wird die sogenannte „Workforce“ beispielsweise in Nordamerika von 71 Prozent der Unternehmen, für die der Markt relevant ist, erhöht. Das teilte das Managementberatungshaus Horváth kürzlich mit.

Für die internationale Studie befragte Horváth im Frühjahr 2023 über 430 Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder aus global agierenden Unternehmen nach ihrer strategischen und regionalen Ausrichtung in den kommenden fünf Jahren, davon über 230 Industrieunternehmen. Die Mehrheit der befragten Unternehmen erwirtschaftet mindestens eine Milliarde Euro Jahresumsatz und beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeitende.

Indien gewinnt

Den Befragungsergebnisse zufolge gewinnt Indien als Produktions-, Entwicklungs- und Absatzmarkt noch stärker: Acht von zehn der befragten Unternehmen, für die Indien ein attraktiver Standort ist, planen dort Kapazitäten auf- oder auszubauen (79 Prozent). Auch in China und weiteren asiatischen Ländern wird kräftig weiter expandiert.

Osteuropa ist aufgrund der günstigen Personalkosten bei gleichzeitiger Personalverfügbarkeit und unbürokratischen Arbeitsbedingungen im Vergleich zu West- und Südeuropa ebenfalls noch gefragt: Hier planen 58 Prozent einen Ausbau der Kapazitäten.

„In den kommenden Jahren stehen bedeutsame Verlagerungen von Produktionsstätten und Wertschöpfungsketten aus West- und Südeuropa nach Nordamerika und nach Asien bevor – wobei China als verlängerte Werkbank an Relevanz verliert und als solche durch Länder wie Indien, Vietnam oder Indonesien ersetzt wird“, sagt Studienleiter und Horváth-Partner Ralf Sauter, verantwortlich für den Bereich Industrial Goods & High Tech.
„Als Absatzmarkt mit regionaler Wertschöpfung wird China künftig aber sogar noch wichtiger für die Unternehmen. 61 Prozent der Unternehmen wollen ihre Aktivitäten hier ausbauen, nur elf Prozent herunterfahren.”

Industrie plant mit Wachstum

Die Unternehmen gehen insgesamt weiterhin von einem weltweiten Wachstum und damit zusammenhängend von einem Ausbau der Personalkapazitäten aus. Dieser Ausbau wird, wie die Studie klar zeigt, jedoch nicht an den mitteleuropäischen Standorten stattfinden. „Wenn Deutschland und Mitteleuropa wichtige industrielle Wertschöpfungsteile in der Region behalten wollen, müssen die Rahmenbedingungen gerade in Bezug auf Rohstoffverfügbarkeit, Energiekosten und Fachkräfte mit Hochdruck verbessert werden. Sind Unternehmen erst abgewandert, gibt es so schnell kein Zurück. Der Exodus der Industrie ist nicht umkehrbar.“

Die Studie bestätige diese Einschätzung, heißt es in einer Pressemitteilung des Beratungshauses. Als Hauptmotiv für die Workforce-Verlagerung werden zu hohe Personalkosten genannt. Zweitwichtigstes Motiv ist, Produktion und Absatz im Sinne eines ‘local-for-local'-Ansatzes aus regulatorischen sowie Kostengründen regional zu bündeln. Drittwichtigster Grund sind fehlende Fach- beziehungsweise Arbeitskräfte.