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Das ZZF-Forum der Heimtierbranche 2019

Marketing 4.0 in der Heimtierbranche - Auf dem Weg zu neuen Rollen und Positionierungen
Über 150 Teilnehmer waren zum ZZF-Forum am 19. und 20. März 2019 nach Niedernhausen gekommen, um sich unter anderem mit den Themen Influencer Marketing und Partnerschaft in einer digitalen Welt zu beschäftigen.

Marketing 4.0 in der Heimtierbranche - Auf dem Weg zu neuen Rollen und Positionierungen
Über 150 Teilnehmer waren zum ZZF-Forum am 19. und 20. März 2019 nach Niedernhausen gekommen, um sich unter anderem mit den Themen Influencer Marketing und Partnerschaft in einer digitalen Welt zu beschäftigen.

In seinem Grußwort nahm ZZF-Präsident Norbert Holthenrich eine der zentralen Fragestellungen gleich vorweg: „Ist die Branche noch tierverliebt?“ Seiner Ansicht nach drückt das Wort verliebt etwas Elementares besonders gut aus: Unsere Branche ist emotionsstark! Damit können und damit müssen wir wuchern, denn das ist ein echter Glücksfall, um den uns so manch‘ andere Branche sicherlich beneidet.

Hier knüpfte der erste Referent, Frank Rehme vom gmvteam – Die Ergebnismanufaktur, an. Er hatte sich das Thema „Die Rolle des Zoofachhandels in sich verändernden Innenstädten“ auf die Fahnen geschrieben. Die Währung der Zukunft ist für ihn: Aufmerksamkeit. Diese bekomme der Händler für seine Produkte alleine durch Umdenken: „Der stationäre Handel ist nicht mehr der Versorger der Republik“, konstatierte Rehme. „Es geht vielmehr um ein Freizeitangebot.“ Ohne Kontext und einzig über den Preis gehen zu wollen, führe nicht zum Erfolg, denn:

„Eine Information, die nicht von einer Emotion begleitet wird, ist wertlos“.

70 Prozent der Kaufentscheidungen würden am POS getroffen, deshalb müsse dort alles sitzen. An die Händler gerichtet forderte Rehme: „Sie müssen Ihre Kunden begeistern und inspirieren. Schaffen Sie magische Momente beispielsweise durch individualisierte Produkte.“

Im Anschluss daran spannte der Geschäftsführer von Kölle-Zoo, Matthias Pohl, den Bogen vom Bedarf für Tiere bis hin zu den Bedürfnissen der Tierhalter. In den Kölle-Zoo-Fachgeschäften würden „verschiedene Themenwelten mit Erlebnischarakter“ geschaffen. Pädagogen böten regelmäßig Führungen für Schul- und Kindergartenkinder durch die Märkte an und informierten über artgerechte Heimtierhaltung. In Kundenbefragungen habe Kölle-Zoo seine Kunden um Feedback gebeten, berichtete Pohl. Daraus habe sich beispielsweise ergeben, welche relevanten Marken noch fehlten. Eine exklusive und erfolgreiche Eigenmarke sei ebenfalls daraus entstanden. Pohl skizzierte in seinem Vortrag auch das Zukunftskonzept seiner Geschäfte in Form von „Kölle-Zoo Village“ mit Online-Terminals, Hunde-Parcours, Katzenboutique und Adoption Center.

Was erwarten Tierhalter von der Heimtierbranche?
Um die Bedürfnisse ihrer Kunden noch besser zu verstehen, hat die Marketingleiterin von bunny Tierernährung, Katharina Engling, eine Homestory gemacht und Influencer mit Kleinsäugerhaltung Zuhause besucht. Ihre Schlussfolgerung daraus: Das Sortiment im Handel muss noch besser an die Bedürfnisse der Tierhalter angepasst werden. Dies gelte aber nicht nur für die Haltungssysteme sondern auch für das Zubehör. Hier gebe es deutlich mehr Möglichkeiten zum Beispiel in Form von Dekorationselementen für die Wohnung oder Bekleidung für Kleinsäugerhalter beispielsweise mit Kaninchen als Motiv. Katharina Englings Fazit:

„Man kann jedes Spiel verändern, wenn man umdenkt. Da ist noch sehr viel Musik in der Heimtierbranche drin. Es ist unsere Aufgabe, den Heimtierhalter ganzheitlich zu sehen.“

Zum Thema "Von Influencern lernen: Produktentwicklung und Marketing im Wandel" hatte Malte Hübers, Geschäftsführer vom Tierernährungshersteller Dr. Clauder‘s, seinen Markenbotschafter Oli P. mitgebracht. Gemeinsam berichteten sie vom Start der Social Media-Aktivitäten, über die Entstehung der Community Dr. Clauder’s and friends bis heute, wo die mittlerweile 16 Influencer kleine und spezielle Gruppen mittels der richtigen Kanäle effektiv und effizient ansprechen. Besonders der Empfehlungscharakter macht Influencer Marketing so glaubwürdig“, stellte Malte Hübers dabei heraus. Im Rahmen seiner Blogger-Aktivitäten stellt der Tierernährungsexperte seiner Community beispielsweise Produkte schon vor der Markteinführung vor und lässt sie von ihnen testen und bewerten. Es gebe zudem regelmäßige Treffen unter anderem auf Messen.

Die Identität der Heimtierbranche
Im Interview mit der Moderatorin Antje Schreiber erzählte die Zoofachhändlerin Melanie Thomas-Ventker, die seit 25 Jahren den Zoofachladen Zoo Thomas im nordrhein-westfälischen Hilden betreibt, von ihrem persönlichen Erfolgsrezept: „Die Beratung macht den Unterschied.“ Das dafür nötige, gut ausgebildete Personal sei jedoch häufig Mangelware. Zoo-Thomas bilde daher auch selbst aus. 15 Prozent ihres Umsatzes mache das Geschäft mit dem Verkauf von Tieren.

Der Kunde werde zudem immer anspruchsvoller, und man brauche als Händler neue Ideen. „Wir wünschen uns eine noch engere Zusammenarbeit mit der Industrie.

Viele Zoofachhändler können etwas dazu beitragen, herauszufiltern, was am Markt noch gebraucht wird.“

Im Workshop „Unterwegs im Auftrag der Heimtierhalter?!“ hatten dann alle Forumsgäste die Möglichkeit, sich zu zwei Fragestellungen untereinander auszutauschen. Zum einen ging es um „Wenn ich den Anspruch meiner unternehmerischen Aktivität in der Heimtierbranche in einem Satz zusammenfassen müsste, dann würde ich sagen…“ Die Antworten schlugen einen Bogen von „als Zoofachhändler Fans zu kreieren“ über „das Leben von Heimtieren überall auf der Welt zu verbessern“ bis hin zu „die Heimtierbranche in ein neues Zeitalter zu führen“. Die zweite Frage warf einen Blick in die Zukunft: „Welche Entwicklungen in der Heimtierhaltung werden die kommenden zehn Jahre der Branche mitbestimmen, und was könnten wir heute konkret tun, um als Unternehmen und Branche erfolgreich zu bleiben?“. Die Antworten waren vielfältig: Digitalisierung und E-Commerce, Tierethik, Konsumverhalten, Personalentwicklung, tierführend, rechtliche Rahmenbedingungen/Reglementierungen uvm. wurden genannt.

Markenidentität und Wirkung
Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete Günter Käfer, Direktor des Instituts für Marken und Medien. Er erläuterte den Nutzen von Markenpositionierung und wie Marken „sich“ gut verkaufen.

„Eine erfolgreiche Marke dient nicht nur für Werbezwecke sondern ist auch ein Führungsinstrument zum Beispiel für die Entwicklung des Portfolios oder die Selektion der passenden Zielgruppen."

Zudem sei eine gute Markenpositionierung auch ein Selbstschutz gegen mediale Angriffe in der digitalisierten Welt.

Über die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zur Nachhaltigkeit in der Heimtierbranche von der Weltleitmesse Interzoo und der Antwerp School of Management berichtete im Anschluss Dr. Rowena Arzt, Bereichsleiterin Messen bei der Wirtschaftsgemeinschaft Zoologischer Fachbetriebe (WZF). Über 350 Unternehmen aus knapp 70 Ländern (Schwerpunkt Europa) hatten im vergangenen Jahr daran teilgenommen. 80 Prozent der Befragten sind demnach der Ansicht, dass das Thema Nachhaltigkeit in den kommenden drei Jahren wichtig oder extrem wichtig werden wird. Die Befragten sehen in nachhaltigen Produkten und Prozessen und in zufriedenstellenden Innovationen die wichtigsten Lösungsansätze zum Klimaschutz und Schutz des Tierwohls. „Unsere Kunden sind für uns der stärkste Treiber für nachhaltiges Handeln“, so eine große Mehrheit der Studienteilnehmer. Als Beispiele für entsprechende Maßnahmen nannten sie Insektenproteinfutter oder auch umweltfreundliche Shampoos.

„In der nun beginnenden zweiten Phase der Studie sammeln wir Best Practise-Beispiele und werden ein Handbuch zum Thema Nachhaltigkeit in der Heimtierbranche veröffentlichen“, kündigte Dr. Arzt an.

Handel und Hersteller als Partner bei der Digitalisierung, so lautete der Vortrag von Heiko Blessin – Marketingleiter des Aquaristikspezialisten JBL. Er zeigte Wege für eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen Handel und Herstellern auf, beispielsweise in der Schaffung von Themenwelten fürs Aquarium: „So sieht ein Dschungelaquarium oder ein Goldfischparadies aus, und bei diesem Fachhändler gibt es das zu kaufen.“, beschrieb Blessin die Idee dahinter. Als weitere Beispiele nannte er unter anderem die Händlersuche auf der JBL-Homepage, Kundenbesuche, vergleichende Aquarien-Präsentation (Wasserwelt mit und ohne CO2-Filter) und das digitalisierte Aquarium, das vollautomatisiert Futternachbestellungen oder Wasserwechsel anzeigt.

Die Tagung rundete Synjay Sauldie, Direktor vom Europäischen Internet Marketing Institut mit einem mitreißenden Plädoyer für Marketing 4.0 für die Heimtierbranche ab. Er zeigte den Zuhörern praxisnahe Strategien und Möglichkeiten auf. Sein Credo: „Angst vor der Digitalisierung heißt nur: zu wenig darüber wissen.“ Das neue Zeitalter heiße jetzt Gemeinschaftliche Privatsphäre. Und wenn die Marktteilnehmer hierin mehr verkaufen wollten, müssten sie sich damit beschäftigen, dass die Menschen in sozialen Netzwerken anerkannt, beachtet und ein Star für 30 Sekunden sein wollten. „Diese drei Sachen sollten wir unserem Kunden bei Kampagnen geben“, so Sauldie. Eine simple und preiswerte aber genau in dieses Muster passende Maßnahme sei ein Unternehmens-Banner für Kunden nach dem Einkauf am Ladenausgang, vor dem sie mit ihrem gerade erworbenen Produkt ein Selfie für ihre Social-Media-Aktivitäten machen könnten. Sein Fazit und sicher das von vielen Forumsteilnehmern in diesem Jahr:

„Wenn man in der digitalen Welt gewinnen will, muss man am Ball bleiben. Man muss sich lebenslang fortbilden und bereit sein zu lernen, um mit seiner Firma, seinem Unternehmen optimal von den vielen neuen Möglichkeiten profitieren zu können.“

Die Teilnehmer bewerteten die Veranstaltung in einer Befragung insgesamt mit der Note 1,7.

Das nächste ZZF-Forum der Heimtierbranche findet am 3. und 4. März 2020 in Niedernhausen statt.

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