Artikelarchiv

Verwirrung um das Animal Health Law

Das seit dem 21. April geltende EU-Tiergesundheitsrecht soll in erster Linie die Ausbreitung von Seuchen verhindern und dafür einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen. Dabei knüpft es die Einfuhr von Tieren in die Europäische Union an bestimmte Voraussetzungen und macht dies allgemein von einer Erlaubnis abhängig - mit zum Teil gravierenden Folgen für den Handel. Aufgrund zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe und Querverweise herrscht große Verwirrung.

Das seit dem 21. April geltende EU-Tiergesundheitsrecht soll in erster Linie die Ausbreitung von Seuchen verhindern und dafür einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen. Dabei knüpft es die Einfuhr von Tieren in die Europäische Union an bestimmte Voraussetzungen und macht dies allgemein von einer Erlaubnis abhängig - mit zum Teil gravierenden Folgen für den Handel. Aufgrund zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe und Querverweise herrscht große Verwirrung.

Die EU-Verordnung 2016/429 wird gemeinhin als "Animal Health Law" (AHL; deutsch etwa: Tiergesundheitsgesetz) tituliert und regelt für Landtiere, Wassertiere und sonstige Tiere die Vorbeugung gelisteter und neu auftretender Tierseuchen sowie deren Bekämpfung. Zum AHL wurden diverse Tertiärrechtsakte erlassen, beispielsweise zur Kategorisierung von Seuchen oder der Bereitstellung von Musterveterinärbescheinigungen.

Pflichten sind nicht klar ersichtlich

Die unmittelbaren Normanwender, zum Beispiel der Zoofachhandel oder nationale Veterinärbehörden, werden mit den überkomplexen und lückenhaften Normen der Verordnung in der Praxis jedoch erhebliche Schwierigkeiten haben, da nicht klar ersichtlich ist, welche Pflichten ihnen die Verordnung auferlegt. Grundsätzlich erklärt das AHL den Import von jeglichen Tieren - Wirbeltiere und wirbellose Tiere - für unzulässig, sofern dies nicht ausdrücklich oder implizit gestattet ist oder der Erlass von Maßnahmen ausnahmsweise den Mitgliedstaaten überlassen wurde (Verbot unter Erlaubnisvorbehalt). Zumindest für "Wassertiere" und "Wassertiere zu Zierzwecken" wird derzeit von der Kommission eine weitere Durchführungsverordnung vorbereitet. Bis dahin gilt für den Import von "Wassertieren", dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist festzulegen, aus welchen Drittländern und Drittlandsgebieten der Import bestimmter Arten zulässig ist. Außerdem enthält die Verordnung an verschiedenen Stellen Ermächtigungen für die Kommission, spezielle Regelungen für den Groß- und Einzelhandel zu erlassen, von denen die Kommission allerdings bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat.

Eigentlich hatte man mit dem AHL Gutes im Sinne, denn über 50 Richtlinien und Verordnungen sowie etwa 400 Durchführungsrechtsakte der EU wurden mit dem AHL aufgehoben und in einem einheitlichen Rechtsrahmen harmonisiert. Die EU verfolgt damit das Ziel, das EU-Tierseuchenrecht im Lichte der Tiergesundheitsstrategie von 2007 einheitlicher zu gestalten. Die Vorschriften dieser Verordnung und die der delegierten und Durchführungsverordnungen gelten unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten und müssen nicht in nationales Recht umgesetzt werden.

Dennoch ist es erforderlich, dass das deutsche Bundesministerium für Energie und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen der Anpassung des nationalen Rechts die Konsistenz nationaler Vorschriften mit dem AHL prüft, wobei das EU-Recht das deutsche Recht überlagert.

Informationsbedarf der Mitglieder nachkommen

Soweit so klar, wenn die Verordnung verständlicher wäre. Ist sie aber in vielen Punkten nicht - insbesondere für die Heimtierbranche, die gar nicht im Haupt-Fokus der neuen Verordnung steht, aber deren Auswirkungen dennoch zu spüren bekommt. Nun liegt es auf der Hand, dass eine derart komplexe Neuregelung auch die nationalen Behörden vor große Herausforderungen stellt.

Nicht ohne Pikanterie liest sich der folgende Hinweis des BMEL: "Auch die Wirtschaftsbeteiligten sind aufgerufen, ihren Beitrag für einen möglichst reibungslosen Übergang zum neuen EU-Tiergesundheitsrecht zu leisten. Wichtig ist, sich intensiv mit dem EU-Tiergesundheitsrecht zu befassen und sich besonders mit den Pflichten der Unternehmer vertraut zu machen. Die Fachverbände sollten prüfen, ob durch Fortbildungsveranstaltungen und Veröffentlichungen in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften dem Informationsbedarf ihrer Mitglieder nachgekommen werden kann."

Auch ohne diesen Hinweis informiert der ZZF seine Mitglieder regelmäßig zum AHL - so beispielsweise in einem Fachartikel in der Mai-Ausgabe des zza oder zuletzt auf der Delegiertentagung Mitte Juni. Doch immer wieder taucht die Frage auf, über was genau informiert werden kann?

Kurzgutachten von renommierter Kanzlei

Der ZZF hat deshalb die sehr renommierte Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs mit einem Kurzgutachten zu einigen grundlegenden wie speziellen Rechtsfragen zum Import und der Verbringung bestimmter Tiere innerhalb der Europäischen Union beauftragt. Die Kanzlei berät regelmäßig Ministerien und erstellt für diese Gutachten. Das von Dr. Ulrich Karpenstein und Professor Dr. Jörg Philipp Terhechte formulierte Memo liegt nunmehr vor und wird auf Anfrage allen ZZF-Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Interessierte schreiben einfach eine E-Mail an bonnet(at)zzf.de.

Zahlreiche Detailfragen werden beantwortet, wobei für die Richtigkeit keine Haftung übernommen werden kann. Beispielsweise wird deutlich, dass Unternehmer gehaltene Landtiere nur dann in andere Mitgliedstaaten verbringen dürfen, soweit kein erhebliches Risiko hinsichtlich einer Ausbreitung einer gelisteten Seuche am Verbringungsort besteht. Für Heimtiergeschäfte und Großhändler kann die Kommission spezielle Bestimmungen erlassen - hat sie bislang aber nicht. Somit gelten die allgemeinen Bestimmungen, insbesondere Registrierungs-, Zulassungs- und Dokumentationspflichten. Für den Import von Ziervögeln enthält die Durchführungsverordnung (EU) 2021/404 eine Liste der zulässigen Drittländer und Drittlandsgebiete, wobei die Ziervögel aus gelisteten Betrieben stammen müssen und von den notwendigen Veterinärbescheinigungen, Erklärungen und sonstigen Dokumenten begleitet werden.

Eine Übersicht der gelisteten Betriebe aus den zugelassenen Drittländern liegt bislang nicht vor. Die Durchführungsverordnung (EU) 2016/429 enthält zunächst keine speziellen Bestimmungen über eine Registrierungspflicht für den Groß- und Einzelhandel. Gemäß deren Artikel 233, Absatz 1, gestatten die Mitgliedstaaten den Eingang von Landtieren und deren Zuchtmaterial nur von gelisteten Betrieben, wonach diese Bestimmung genaue Anforderungen an die Voraussetzung einer Listung enthält. Unter den Begriff des Landtieres fallen zunächst aber nur "Kleinsäuger". Diese Bestimmungen gelten aber nur für Betriebe außerhalb der EU. Grundsätzlich besteht auch für Aquakulturbetriebe eine Pflicht zur Registrierung, von dem die Mitgliedstaaten diejenigen Aquakulturbetriebe ausnehmen können, die Tiere aus Aquakultur zu Zierzwecken in geschlossenen Systemen halten. Die Mitgliedstaaten können zudem bestimmte Kategorien von Betrieben, die eine unerhebliche Gefahr darstellen, von der Registrierungspflicht ausnehmen. Das AHL enthält allerdings keine Informationen darüber, welche Behörde in den Mitgliedstaaten hierfür zuständig ist. Hier ist es Sache des nationalen Rechts, eine entsprechende Konkretisierung über die jeweiligen Ausführungsgesetze der Länder vorzunehmen.

Somit bleibt zum jetzigen Zeitpunkt beim AHL noch allzu vieles unklar. In dem Memo der Kanzlei, dessen Erkenntnisse in diesen Artikel eingeflossen sind, heißt es daher auch: "Die Probleme (mit dem AHL; der Verfasser) hätten vermieden werden können, wenn die Belange des Zoofachhandels bei der Erarbeitung der Verordnung mehr Berücksichtigung gefunden hätten. Der gesamte Prozess des Erlasses der Verordnung ist aber problematisch und lässt sich kaum mit dem allgemeinen Transparenzziel der EU in Einklang bringen. Letztlich wirft die neue Verordnung damit zahlreiche Detailfragen auf, die momentan nur äußerst schwer zu beantworten sind. Die Komplexität der Regelungen und die unausgereifte Systematik führen jedenfalls aus der Warte des unionsrechtlichen Prinzips der Rechtssicherheit zu ernsten Zweifeln an der Verordnung."

Gordon Bonnet, Geschäftsführer ZZF/WZF