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Warenwirtschaft im Zoofachhandel__Centgenau zum Erfolg

Foto: Pixabay

Unter Digitalisierung mag man sich die großen Themen wie E-Commerce, Big Data oder künstliche Intelligenz vorstellen. Aber sie greift auch im Kleinen, etwa bei täglich ablaufenden Prozessen wie Ein- und Verkauf. Unternehmensberater Lutz Schnalke erläutert die Segen der digitalen Warenwirtschaft.

Wenn Lutz Schnalke über Digitalisierung im Zoofachhandel sprechen soll, erzählt er eine Geschichte. Ein unabhängiger Zoofachhändler mit einigen Filialen schaute regelmäßig in seinen Geschäften nach dem Rechten. Als er eines Arbeitstages zurück ins Büro kam, sagte die Buchhalterin, die den ganzen Tag lang am Computer gesessen hatte: In dieser Filiale steht das Katzenstreu falsch, denn der Umsatz sinkt.

Am nächsten Tag fuhr der Unternehmer in ebendieses Geschäft, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Und richtig: Es herrschte Platzmangel in dem Laden und ein Mitarbeiter hatte die Palette mit dem Katzenstreu an einen Ort geschoben, wo Kunden das Produkt nicht mehr so leicht sehen konnten. Der Buchhalterin war das sofort aufgefallen, obwohl sie seit Monaten keinen Fuß mehr in besagten Markt gesetzt hatte.

Von der Pike auf

Der 56-jährige Schnalke kennt sich aus, kommt selbst aus einer Händlerfamilie. Er hat den Handel mit Heimtierbedarf von der Pike auf gelernt, bevor er sich irgendwann als Unternehmensberater selbständig machte.

Heute ist er Geschäftsführer der Lidis GmbH, einem Software- und Beratungshaus, das sich auf Warenwirtschaftssysteme spezialisiert hat und Gartencenter sowie den Zoofachhandel adressiert. Kein Wunder also, dass Schnalke über die Segen einer computergestützten Warenwirtschaft spricht, wenn es um Digitalisierung geht.

Der Kern des Handels

Andere hätten wohl über E-Commerce, Marketing oder Logistik gesprochen. Aber letztlich ist es ja der eigentliche Kern des Einzelhandels, der sich in einem Warenwirtschaftssystem abbilden lässt. Einkaufen, einlagern, verkaufen, um Ertrag zu erzielen. Vorreiter der Digitalisierung dieser Prozesse seien die großen Lebensmitteleinzelhändler, die Ketten, die mit enormen IT-Aufwand das letzte Prozentpünktchen Marge aus jedem einzelnen Artikel herausquetschen, so Schnalke.

Gartencenter seien hingegen noch auf dem Stand der 90-er Jahre, während der Zoofachhandel immerhin schon im neuen Jahrtausend angekommen sei, wenn es um die Warenwirtschaft geht. Zwar arbeiteten im Zoofachhandel exzellente Spezialisten für das Tier und dessen Wohl, aber insgesamt sei bezüglich der Digitalisierung die Situation in der Branche heterogen, sagt der Unternehmensberater.

Viel Potenzial

Gerade bei den freien Zoofachhändlern, die keinem System angehören oder keine Franchiser sind, gebe es noch Potenziale. Lutz Schnalke schätzt, dass zwar etwa 60 bis 70 Prozent der Bestellungen, die der Zoofachhandel bei Lieferanten aufgibt, digital abgewickelt werden. Von den freien Zoofachhändlern hätte aber lediglich die Hälfte ihr Bestellwesen digitalisiert. „Da wird auch noch gefaxt“, sagt er.

Einen Computer hätte natürlich längst jeder, aber dessen Potenzial werde eben nicht ausgeschöpft. So gebe es beispielsweise bei den Artikelstammdaten keinen Standard. Das habe zur Folge, dass die Daten bei vielen Händlern mühsam von Hand eingelesen werden müssen. Sisyphos lässt grüßen.

Stammdaten als Hürde

Gerade das Thema Artikelstammdaten sei eine große Hürde auf dem Weg zur Digitalisierung, so Schnalke. Ein Zoofachhändler arbeite in der Regel mit 10.000 bis 30.000 verschiedenen Artikeln. Wer da den Überblick behalten will, muss eisern die Stammdaten pflegen. Da sich gerade die unabhängigen, kleineren Zoofachhändler aber für das Tagesgeschäft den Rücken freihalten müssen, werden die Stammdaten oft stiefmütterlich behandelt.

Diese Daten sind aber die Grundlage für eine centgenaue Kalkulation. Oder auch für die Rechnungskontrolle. Lutz Schnalke sagt, dass 80 Prozent aller Lieferantenrechnungen falsch seien. Pro Million Euro Umsatz gebe es 10.000 bis 12.000 Euro Rechnungsfehler zu Lasten des Einkaufs. Nur wer Konditionen und Stammdaten fortwährend pflegt, hat die Möglichkeit, dieses Geld zu finden und beim Lieferanten anzumahnen. „Verlässliche Zahlen sind die Grundlage des Erfolges“, sagt Schnalke.

Informationen für Entscheidungen

Wie das Beispiel mit dem Katzenstreu zeigt, hilft digitale Technik dabei, solche Schätze zu heben. Mit einer digitalen Warenwirtschaft lassen sich Informationen gewinnen, auf deren Basis unternehmerische Entscheidungen getroffen werden können. Beispielsweise lassen sich Regalplätze nach Roherträgen analysieren. Artikel, bei denen der Rohertrag eher gering ist, könnten anschließend in die weniger attraktiven Regale geräumt werden und umgekehrt, so Schnalke. Viele Händler wüssten gar nicht genau, an welchen Artikeln sie ihr Geld verdienen.

„Beim Thema Digitalisierung lauten die Fragen: Was weiß ich und welche Konsequenzen ziehe ich daraus?“ Gerade kleinere Unternehmen stellen sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es sich für sie überhaupt rentiert, in Digitalisierung zu investieren. Weil die Konkurrenz es aber auch macht, sei dieser Weg alternativlos, sagt Schnalke. „Ein Umdenken ist hier unerlässlich.“

Den Rohertrag steigern

Es kostet zwar Geld und bedeutet gerade am Anfang auch Aufwand. Aber diese Investition sei schnell amortisiert, sagt der 56-Jährige. Nach der Implementierung einer digitalen Warenwirtschaft in das Unternehmen steige der Rohertrag insgesamt um mindestens ein Prozent, meistens sogar zwischen zwei und drei.

Allein schon die Initialisierung eines Warenwirtschaftssystems schule den Blick auf das einzelne Produkt und dessen Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Darauf aufbauend ändere sich auch das Geschäftsgebaren und ganz automatisch tauchten Fragen nach Umsatz, Artikelabsatz und Ertrag auf.

Für einen kleineren Händler gebe es Systeme inklusive digitaler Kasse für 6.000 bis 8.000 Euro, sagt Schnalke. Bei einem Jahresumsatz ab 250.000 Euro rät er zur digitalen Warenwirtschaft. Wer drüber liegt, dem empfiehlt Schnalke mal ein Seminar zur digitalen Betriebsführung zu belegen und sich einen Überblick über den Markt der Anbieter zu verschaffen. Denn letztlich will doch jeder Händler wissen, ob das Katzenstreu am richtigen Ort steht. dh