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Politik und Heimtierhaltung__„Wir lassen uns nicht treiben“

In Deutschland lebt in mehr als jedem zweiten Haushalt ein Heimtier. Eine Positivliste hätte wohl dramatische Folgen für die Gesellschaft und das Zusammenleben von Mensch und Tier. Foto: Mike Flynn/Pixabay

Seit einigen Monaten geistert wieder die Positivliste durch den politischen Diskurs. Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe hat in diesem Jahr große Anstrengungen unternommen, um Berlin und Brüssel davon zu überzeugen, dass diese Idee ihren Zielen nicht gerecht wird und darüber hinaus rechtlich höchst problematisch ist. Verbandsgeschäftsführer Gordon Bonnet spricht im Interview über den Stand der Dinge.

zza: Das Thema Positivliste für die Heimtierhaltung wird auf verschiedenen politischen Ebenen in Deutschland und Europa diskutiert. Wie würden Sie den Status quo zusammenfassen? Kommen diese Listen auch zu uns oder nicht?

Gordon Bonnet: Die Diskussion um Positivlisten ist alt und kommt immer mal wieder auf, weil manche denken, dass es ein einfacher und praktischer Weg sei. Aber je mehr man sich damit beschäftigt, umso deutlicher treten die ganzen Nachteile zutage. Es soll ja ein Instrument sein, um das Tierwohl zu verbessern. Letzteres ist auch unser Anliegen als ZZF, aber wir halten die Positivliste für ein ungeeignetes Mittel. Denn sie bedeutet im Grunde nichts anderes, als die Heimtierhaltung zu verbieten und auf einer Liste festzuhalten, welche Tiere man halten kann. Bewährt hat sich allerdings der umgekehrte Weg, nämlich über eine Negativliste festzulegen, welche Heimtiere in der Haltung problematisch sind. Die Idee, mit einer Positivliste Probleme beim Tierwohl und Tierschutz lösen zu wollen, rührt vor allen Dingen daher, dass andere Maßnahmen aufwändiger sind. Anstatt faktengestützt zu differenzieren, propagieren die Befürworter pauschale Verbote. Demgegenüber hat sich in der Diskussion einmal mehr gezeigt, dass eine Positivliste das Tierwohl und den Artenschutz gefährden würde. Das haben Tierärzte gesagt und das haben verschiedene Artenschützer auch deutlich gemacht. Deshalb meine ich, dass wir aktuell keine deutsche Positivliste bekommen werden, weil auf der Hand liegt, welche Gründe dagegen sprechen. Daneben gibt es auch handfeste juristische Gründe, die dagegen sprechen, was das von uns beauftragte Gutachten von Professor Spranger aufgezeigt hat. In Deutschland wird die Positivliste im Moment vom Tisch sein, aber das Thema wird sich auf die europäische Ebene verlagern.

zza: Ist angesichts der globalen ökologischen Herausforderungen die Diskussion über ein solches Verbot überhaupt zielführend? Würde eine Positivliste bei Umweltproblemen helfen?

Bonnet: Selbst für die Befürworter einer Positivliste ist der ökologische Nutzen nur ein Randthema. Ein Nutzen ist aber nicht wirklich zu erkennen. Im Gegenteil: Eine Positivliste hätte ganz klare Nachteile für den Artenschutz. Artenschutz bedeutet auch, dass gewisse Gebiete, die von Umweltzerstörung betroffen sind, einen besonderen Schutz bekommen können. Natürlich kann man immer argumentieren, dass, wenn weniger Menschen Heimtiere hielten, sie auch weniger Ressourcen verbrauchen würden. Das kann aber hier nicht das zielführende Argument sein.

zza: Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hatte das Thema in Berlin aufs Tapet gehoben. Damit greift er auch in die Persönlichkeitsrechte von Millionen von Tierhaltern ein. Hat der Minister vergessen, dass diese Tierhalter auch Wähler sind?

Bonnet: Ich glaube, dass er die Stimmung zu diesem Thema unterschätzt hat. Er hat ja zunächst auf die vergleichsweise kleine Gruppe der Halter sogenannter Exoten abgestellt und die Frage in Hinblick auf Reptilien aufgeworfen. Vielleicht hat er gedacht, dass der Aufschrei nicht ganz so groß sein wird. Fakt ist aber, dass die einen Menschen sich mehr für Hund und Katze begeistern, andere Menschen aber andere Tiere mögen. Der Maßstab kann immer nur sein, ob das Tier so gehalten werden kann, dass es mit dem Tierwohl in Einklang zu bringen ist. Es gibt auch Tierrechtsorganisationen, die mit pauschalen Urteilen argumentieren, von denen man sagen muss, dass es sich dabei um Populismus in Reinform handelt. Da wird pauschal die sogenannte Exotenhaltung verunglimpft. Dafür gibt es aber gar keine logische Begründung. Exoten sind auch nirgends definiert. Das ist dann schlicht Meinungsmache.

zza: Natürlich stellt das Tierwohl ein hohes Gut dar, aber es gibt ja auch Kontrollen in den Branchen, die mit Tieren arbeiten. Funktionieren die denn nicht?

Bonnet: Wir haben als ZZF in der Vergangenheit schon viele Dinge angemahnt und tun das weiterhin. Es gibt den illegalen Handel mit Tieren. Das betrifft etwa den Welpenhandel mit all den furchtbaren Auswüchsen, aber auch den illegalen Wildtierhandel. Es ist ein Unding, dass es seit Jahren und Jahrzehnten nicht gelungen ist, diesen Handel zu unterbinden. Das bedeutet, dass wir dort stärkere Kontrollen benötigen. Auch die Züchter müssen kontrolliert werden, wo es gerade auch außerhalb Deutschlands schwarze Schafe gibt. Der ZZF will das nicht und steht ganz klar für eine tierwohlorientierte Heimtierhaltung. Mehr Regulierung wünschen wir uns auch im Bereich des Online-Verkaufs von Heimtieren. Vor mittlerweile zwei Jahren gab es eine Diskussion mit vielen Verbänden, die im Ergebnis eindeutig zeigte, was man im Online-Handel ändern sollte. Das hat auch Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden. Im Moment hören wir nicht mehr allzu viel von dem Thema. Konkrete Ergebnisse kennen wir jedenfalls noch nicht.

zza: Das Europäische Parlament befürwortete im November 2022 Positivlisten und gab der Europäischen Kommission den Auftrag, sich mit dem Thema zu befassen. Heißt das, dass ein Gesetz nun schon unterwegs ist?

Bonnet: Zunächst zur Klarstellung: Im November letzten Jahres wurde ein Entschließungsantrag des Petitionsausschusses zur Einführung einer Positivliste im Europäischen Parlament ohne Aussprache durchgewunken. Deshalb wird sich die Europäische Kommission damit erneut beschäftigen. Außerdem gibt es einzelne Länder wie Zypern, Litauen, Luxemburg, Malta und Deutschland, die für eine europäische Positivliste werben. Ein Gesetz ist noch nicht unterwegs. Die Europäische Kommission beschäftigt sich damit, hat allerdings in der Vergangenheit klar gesagt, dass sie nichts von einer Positivliste hält. Das Gremium will bis zum Jahresende Stellung in dieser Frage beziehen. 2024 wird das Europäische Parlament neu gewählt. Wir werden sehen, ob bis dahin noch viel in dieser Sache passiert. Mit anderen Mehrheitsverhältnissen können sich die Dinge dann natürlich ändern.

zza: Womit ist zu rechnen, falls die Kommission die Einführung einer solchen Maßnahme negativ einschätzt und ablehnt?

Bonnet: Ich glaube, dass wir immer wieder über Positivlisten sprechen werden. Aber es gibt eben gute Gründe, warum man sie nicht schon auf europäischer Ebene eingeführt hat. Ich glaube nicht, dass eine EU-Positivliste kommt, auch wenn es laute Stimmen dafür geben wird. Diese Stimmen werden es bei einer Niederlage irgendwann wieder angehen wollen. Uns ist wichtig, dass wir uns darauf konzentrieren, was man mit der Positivliste erreichen will. Ich finde, diese Diskussion kommt viel zu kurz. Wir sollten nicht so viel über dieses aus unserer Sicht ungeeignete Mittel sprechen, sondern mehr über die schwarzen Schafe und darüber, wie es dem Tier gut geht. Wir sollten noch stärker über die Heimtierhaltung aufklären und schauen, dass es bei den Züchtern vernünftig läuft. Wir sollten auch differenziert auf den Wildtierhandel schauen. Der illegale Wildtierhandel muss viel konsequenter verfolgt und bestraft werden. Aber deswegen ist nicht insgesamt der Wildtierhandel schädlich, sondern kann auch dazu beitragen, den Genpool bestimmter Arten zu stützen und ganze Gebiete zu schützen, weil die Bevölkerung dort kontrolliert und geordnet Tiere der Natur entnimmt.

zza: Der ZZF ist nicht allein in seinem Kampf gegen die Positivlisten, auch Organisationen von Tier- und Artenschützern, Veterinären, Züchtern, Haltern und mehr bringen sich in Stellung. Wie bewerten Sie diese Solidarität?

Bonnet: Ich glaube, dass hier sehr viel Fachkompetenz vorhanden ist. Einigen Menschen in diesen Bereichen ist es daher ein Dorn im Auge, wenn pauschal abgeurteilt wird und eine Positivliste wie eine Keule genutzt werden soll. Wir alle lieben Heimtiere und möchten das Tierwohl verbessern und zugleich die Vielfalt in der Heimtierhaltung bewahren. Wir lassen uns nicht von denjenigen treiben, die irgendwo die lauteste Stimme erheben und Meinungsmache betreiben.

Dominic Heitz