Aquaristik__Krise oder Chance?

Aquaristik begeistert nach wie vor, wie hier bei einer Präsentation während der Eröffnung eines Fressnapf XXL-Marktes in Eisenach. Foto: Sebastian Zander

Der deutsche Aquaristik-Markt hat im vergangenen Jahr einen Dämpfer bekommen. Die Anzahl der Haushalte, in denen ein Aquarium steht, ist gesunken. Für die Unternehmen der Branche ist dieser Trend sicher ein Grund, über die Zukunft nachzudenken. Und auch, mal über die Landesgrenzen hinauszuschauen.

Rund zwei Millionen Aquarien hat das Marktforschungsinstitut Skopos in seiner jüngsten Studie über den deutschen Heimtiermarkt gezählt. Die Studie wird jährlich vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe und Industrieverband Heimtierbedarf in Auftrag gegeben und gibt wichtige Hinweise zum Zustand der Branche. Dementsprechend sorgt sie für Freude oder Sorge, je nachdem, wie die Zahlen ausfallen.

Für den Aquaristikbereich war diese Zahl sicher alles andere als ein Grund zum Feiern, denn sie bedeutet einen Rückgang um zehn Prozent von 2023 auf 2024. Ähnlich krass wirkt die Zahl der Haushalte, in denen ein Becken läuft: 1,6 Millionen waren es 2024, ein Rückgang um 100.000 im Vergleich zum Vorjahr. Nimmt man die Zahlen von 2022 hinzu – 2,3 Millionen Aquarien und 1,8 Millionen Haushalte – könnte der Verdacht aufkommen, dass die Aquaristik in Deutschland in Schwierigkeiten steckt.

Leidenschaft ist ungebrochen

Für viele Unternehmen sind diese Zahlen sicher ein Problem, aber über eine grundsätzliche Krise zu sprechen, ist wohl unangebracht. Die Leidenschaft für die Aquaristik ist in Deutschland ungebrochen und Aquarianer bleiben nicht selten ihrem Hobby ein Leben lang treu. Die aktuellen Zahlen mögen in die falsche Richtung zeigen, liegen aber noch immer deutlich über denen von vor nur fünf Jahren. Damals zählten die Marktforscher noch 1,6 Millionen Becken in 1,4 Millionen Haushalten.

Dann kam Corona und die Menschen steckten viel Geld in Heim und Hobby. Die aktuelle Phase ist vor diesem Hintergrund wohl eher eine Rückkehr als eine Abkehr – zurück zu den normalen Verhältnissen in der Aquaristik. Diese Konsolidierung ist für viele Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit gewissen Schmerzen verbunden, allerdings trifft es längst nicht alle gleich. Und für die Zukunft brauchen Händler und Hersteller daher auch unterschiedliche Ansätze, um weiterhin im Wettbewerb bestehen zu können.

Für die Hersteller heißt das Zauberwort hier Internationalisierung. Die größten Aquaristikmärkte sind die USA, die Europäische Union, China, Großbritannien und Japan. Die Marktforscher von Fortune Business Insights haben den globalen Markt für Aquarien und Zubehör des Jahres 2024 auf rund 3,5 Milliarden Euro beziffert und prognostizieren einen Anstieg auf rund 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2032 bei einer durchschnittlich jährlichen Zuwachsrate von über sechs Prozent. Allein der US-Markt soll bis dahin auf über 1,7 Milliarden Euro anwachsen.

Internationale Märkte wachsen

In China und Indien erfreuen sich Zierfische wachsender Beliebtheit und treiben die Nachfrage an, in Japan sind Design-Aquarien und Hightech- Aquakultur im Trend. Die Märkte in Brasilien, Südafrika und im Nahen Osten wachsen ebenfalls, angetrieben beispielsweise durch die Verfügbarkeit von Becken im E-Commerce. Und nicht zuletzt treibt technische Innovation auch das Wachstum in Großbritannien und Deutschland voran.

Das Feld ist bestellt für die Hersteller der Branche und viele heimische Unternehmen haben internationales Wachstum auch in ihre Strategie eingebettet. Dabei helfen die neuen Medien: Social-Media-Marketing sei für Hersteller zu einer unverzichtbaren digitalen Strategie geworden, um Marken, Produkte und Dienstleistungen zu bewerben, Leads zu generieren und den Umsatz zu steigern, so die Analysten von Fortune Business Insights.

Dem Handel sind in Sachen Export naturgemäß Grenzen gesetzt. Zoo- und Aquaristikfachgeschäfte sind darauf angewiesen, dass das Hobby im deutschsprachigen Raum auch in Zukunft weiterhin möglichst viele Freunde hat. Der Handel nimmt hier eine doppelte Rolle ein: Mit dem direkten Kontakt zum Endverbraucher liefert er der gesamten Wertschöpfungskette wertvolle Hinweise, wohin die Reise geht. Welche Bedürfnisse formuliert der Kunde? Welches Feedback gibt er? Was wünscht er sich für die Zukunft? Herstellende Unternehmen, die dem Handel diese wichtige Rolle zusprechen und einen engen Austausch mit ihm pflegen, können davon profitieren.

Wo die Liebe hinfällt

Die zweite Rolle des Handels ist vielleicht noch wichtiger. Es ist der Ort, an dem viele Menschen zum ersten Mal in Kontakt mit der Aquaristik kommen, die leuchtenden Becken sehen, die Farben, das Leben unter Wasser. Dort kann eine Leidenschaft entstehen, die sich im besten Fall ein Leben lang hält. Voraussetzung dafür ist, dass die Mitarbeiter diese Liebe zur Aquaristik teilen.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist es schwierig, hierfür das passende Personal zu finden. Dennoch sollten die Verantwortlichen größtmögliche Anstrengungen unternehmen, um in der Beratung auf Fachkenntnisse und Leidenschaft setzen zu können. Hier gilt: Wer die Kunden zu Fans machen will, sollte selbst Fan sein. Hat der Händler den Neu-Aquarianer einmal für das Hobby begeistert und sich als Experte und Ansprechpartner etabliert, darf er auf gute Geschäfte hoffen.

Auch im Handel spielen die neuen Medien eine wichtige Rolle. In der Aquaristik gibt es einige Kanäle auf den bekannten Plattformen, die von begeisterten Aquarianern betrieben werden, die zugleich auch im Handel auf der Fläche arbeiten. Sie erreichen Tausende mit ihren Inhalten und tragen dazu bei, das Hobby mit Reichweite zu versorgen.

Und nicht zuletzt vermitteln sie im Geschäft wie auch in ihren Digitalformaten das Wissen, dass für dieses manchmal anspruchsvolle Hobby vonnöten ist. Wohl dem Händler, der einen solchen Fachmann und medial affinen Mitarbeiter in seinen Reihen weiß.

Generation Handy

Die Wissensvermittlung ist auch ein Schlüssel für die Akquise neuer Begeisterter. Die jüngeren Generationen haben häufig nicht die Lust und Ausdauer, um sich umfangreiche Theorie anzueignen, bevor es überhaupt mit dem ersten Becken losgehen kann. Das Hobby und die Anforderungen so einfach wie möglich darzustellen, ist eine Herausforderung, der sich sowohl Handel als auch Hersteller stellen müssen.

Wenn der Händler dann auch noch die passenden Produkte für die Neuen im Regal hat, steht einer langfristigen Kundenbeziehung nichts mehr im Wege. Auch hier zeigen sich gewisse Trends, die bei der Sortimentsplanung bedacht werden sollten. Jüngere Generationen sind technikaffin, wollen am liebsten für alles ihr Smartphone nutzen. Das fängt wie beschrieben bei der Information an und zieht sich dann bis in die Produkte, die bestenfalls mit dem Aquarium vernetzt sind und die Überwachung und Steuerung begleiten.

Viele Hersteller sehen das und entwickeln Lösungen in diese Richtung, der Handel greift sie auf und nutzt sie, um das Hobby zukunftsfähig zu machen. Am Ende gilt: Aquaristik sollte kinderleicht sein, will man die Kinder von heute als Kunden von morgen gewinnen.

Darüber hinaus bietet es sich für manche Händler auch an, bestimmte Nischen zu besetzen und sich hierfür als Experten auch überregional einen Namen zu machen. Viele Aquarianer nehmen auch längere Wege in Kauf, um sich beim Händler ihres Vertrauens beraten zu lassen. Wem es hier gelingt, sowohl digital als auch analog eine Community aufzubauen, darf sich über eine solide Geschäftsgrundlage für die kommenden Jahre freuen.

Dominic Heitz