Deutsche Wirtschaft im Umbruch__Konjunktur und Wachstum schwach
Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose prognostiziert für das Jahr 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,1 Prozent. Für die kommenden beiden Jahre erwarten die Institute eine schwache Erholung mit Zuwächsen von 0,8 Prozent beziehungsweise 1,3 Prozent.
Gegenüber der Prognose vom Frühjahr bedeutet dies eine Abwärtsrevision um 0,2 Prozentpunkte für 2024 und 0,6 Prozentpunkte für 2025. Das teilt das Ifo Institut mit, das an der Gemeinschaftsprognose beteiligt ist.
„Neben der konjunkturellen Schwäche belastet auch der strukturelle Wandel die deutsche Wirtschaft“, sagt Dr. Geraldine Dany-Knedlik, Leiterin des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China haben strukturelle Anpassungsprozesse ausgelöst, die die Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft dämpfen.“
Die deutsche Wirtschaft trete seit über zwei Jahren auf der Stelle, heißt es in einer Pressemitteilung. Im kommenden Jahr dürfte eine langsame Erholung einsetzen, aber an den Trend von vor der Corona-Pandemie wird das Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit nicht mehr anknüpfen können.
Strukturwandel und Flaute
Die sich überlagernden Wirkungen von Strukturwandel und konjunktureller Flaute zeigen sich besonders im verarbeitenden Gewerbe. Betroffen sind vor allem die Investitionsgüterhersteller und energieintensive Industriezweige. Ihre Wettbewerbsfähigkeit leidet unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China, die deutsche Exporte auf den Weltmärkten verdrängen.
Konjunkturell macht dem verarbeitenden Gewerbe aber auch die schwächelnde globale Industrie und der damit verbundene Mangel an neuen Aufträgen zu schaffen. Abgemildert wird dies durch die teilweise kräftig gestiegene Bruttowertschöpfung in den – insbesondere staatlich geprägten – Dienstleistungsbereichen wie dem Erziehungs- und Gesundheitswesen.
Symptomatisch für die Probleme im verarbeitenden Gewerbe ist nach Einschätzung der Institute die anhaltende Investitionsschwäche. Konjunkturell dürften in Deutschland vor allem das nach wie vor hohe Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeit der Unternehmen und die Anschaffungsneigung der privaten Haushalte belastet haben. Die privaten Haushalte legten ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt Geld für neue Wohnbauten oder Konsumgüter auszugeben, so die Institute.
Zuwächse beim Einkommen
Die strukturellen Anpassungsprozesse dürften dem Gutachten zufolge andauern und die konjunkturellen Bremsen sich nur langsam lösen. Getragen wird die zaghafte Erholung von einer Belebung des privaten Verbrauchs, der von kräftigen Zuwächsen der real verfügbaren Einkommen getragen wird.
Das Anziehen der Konjunktur in wichtigen Absatzmärkten, wie den europäischen Nachbarländern, wird den deutschen Außenhandel stützen. Zusammen mit günstigeren Finanzierungsbedingungen kommt dies den Anlageinvestitionen zugute.
Auf dem Arbeitsmarkt zeige der wirtschaftliche Stillstand mittlerweile deutlichere Spuren: Die Zahl der Arbeitslosen ist zuletzt weiter leicht gestiegen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres, wenn sich die wirtschaftliche Aktivität allmählich erholt, dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen.
Niedrige Inflation
Die Inflationsrate ist im August auf den niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren zurückgegangen und wird im Prognosezeitraum voraussichtlich in der Nähe des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent liegen.
Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. Am Herbstgutachten 2024 haben folgende Institute mitgewirkt: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Ifo Institut, Kiel Institut für Weltwirtschaft, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle sowie das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien.