Interview mit Dr. Dominique Tordy__„Im Notfall die Ruhe bewahren“

Die aus dem Sat.1 Frühstücksfernsehen bekannte Tierärztin Dr. Dominique Tordy hat das Buch herausgebracht „Entspannt zum Tierarzt. So helfen Sie Ihrem Hund“. Darin liefert sie Tricks und Kniffe, die den Tierarztbesuch erleichtern sollen. Der zza sprach mit ihr über Erste-Hilfe-Maßnahmen, akute Notfälle und Stressvermeidung.
zza: Die meisten Tierhalter sorgen sich sehr um ihre Lieblinge. Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen sollten Tierhalter beherrschen und welche Mittel zu Haus haben?
Dr. Dominique Tordy: Wenn ein Heimtier krank wird, ist sein Halter meist der erste Helfer vor Ort. Deswegen ist es wichtig, dass er im Notfall die Ruhe bewahrt und die richtigen Schritte einleitet. Kleinere Probleme können möglicherweise schon zu Hause gelöst werden, bei größeren kann er die tierärztliche Versorgung vorbereiten. So können die Vierbeiner schneller, effektiver und oft auch günstiger behandelt werden. Das Wichtigste ist einzuschätzen, ob ein Notfall vorliegt.
Das ist nicht immer leicht, doch es gibt ein paar Alarmsignale, auf die man unbedingt reagieren sollte, wie zum Beispiel plötzliche Mattheit ohne erkennbaren Grund, starke Schmerzen, anhaltende Blutungen, erfolgloses Erbrechen, anhaltendes Erbrechen, Durchfall, der länger als drei Tage anhält oder mit einem schlechten Allgemeinbefinden einhergeht, übelriechender Ausfluss aus der Scheide, Lähmungen, tiefe Stürze oder Unfälle, die innere Blutungen verursachen können, Aufnahme von giftigen Substanzen oder Verschlucken eines Fremdkörpers.
Tierhalter können auch als Nicht- Mediziner bestimmte Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen. Bei einer blutenden Wunde kann ein sogenannter Druckverband angelegt werden. Dazu eine Mullbinde auf die Wunde legen und diese mit einer zweiten Binde so umwickeln, dass die erste möglichst nicht verrutscht. Besonderer Druck ist dabei gar nicht nötig. In der Hausapotheke sollten also immer zwei bis drei Mullbinden vorrätig sein.
Auch eine Untersuchung der Schleimhäute ist relativ einfach durchzuführen. Die Schleimhäute sollten satt rosa sein. Bei Druck mit dem Finger entsteht ein heller Fleck, der in weniger als zwei Sekunden wieder die normale Farbe annehmen sollte. Das Messen der Temperatur ist ebenfalls eine sinnvolle Unterstützung. Bei Hunden sollte sie zwischen 37,5 und 39,1 Grad Celsius liegen; bei Welpen ist eine Temperatur bis 39,5 Grad Celsius normal. Bei Katzen sollte sie zwischen 38,0 und 39,1 Grad Celsius liegen. Ein Fieberthermometer mit ausreichender Batterieladung und ein passendes Gleitmittel sollte in der Hausapotheke nicht fehlen.
Auch das Zählen der Herz- und Atemfrequenz ist für Laien machbar: Die Atmung kann man am besten in der Flanke beobachten, den Herzschlag im zweiten bis vierten Rippenzwischenraum hinter dem Ellenbogen ertasten. Bei leichtem Durchfall oder gelegentlichem Erbrechen reicht oft die Fütterung von Schonkost in kleinen Portionen über den Tag verteilt. Nicht immer ist bei gesundheitlichen Problemen eine sofortige ärztliche Behandlung notwendig.
zza: Welche Probleme zählen hierzu und was empfehlen Sie in solchen Fällen? Und woran erkennt ein Tierhalter, dass er doch besser einen Tierarzt konsultieren sollte?
Tordy: Es ist wichtig zu wissen, dass Heimtiere immer versuchen, ihre Probleme zu verstecken. In der Natur ist das Tier der Gruppe, welches am schwächsten erscheint, das erste, das von einem Fressfeind angegriffen wird. Deswegen versuchen sie immer unversehrt zu wirken. Das einzige, was sie nicht verstecken können, ist ihr Gewicht. Wenn ein Heimtier über ein bis zwei Wochen immer weiter abnimmt, dann sollte man es unbedingt untersuchen lassen. Außerdem ist es wichtig zu kontrollieren, ob es immer sauber ist. Ein Kaninchen, dessen Po mit Urin oder Kot verunreinigt ist, hat wahrscheinlich Probleme mit der Blase oder dem Darm, oft auch mit den Zähnen. Vor allem im Sommer besteht dann die Gefahr, dass Fliegen ihre Eier in das feuchte Fell legen und die schlüpfenden Maden das Heimtier gefährden.
Probleme mit der Verdauung können bei diesen Tieren schnell brenzlig werden, wenn sie aufgasen. Das wird innerhalb von Minuten bis Stunden zum lebensbedrohlichen Notfall. Juckreiz dagegen ist oft auf Parasiten zurückzuführen, die zwar nicht direkt lebensbedrohlich sind, aber das Wohlbefinden stark einschränken und unbedingt zügig bekämpft werden sollten. Fallen sie am Wochenende auf, ist das aber in der Regel kein Grund, den Notdienst aufzusuchen.
zza: Ein Besuch beim Tierarzt bedeutet immer auch Stress – meist für alle Beteiligten. Wie können oder sollten Tierhalter sich auf diesen Termin vorbereiten?
Tordy: Am besten klappt die Vorbereitung, wenn es dem Tier gerade gut geht. Bei Hunden kann das bedeuten, der Tierarztpraxis schon vorher Besuche abzustatten und sich dort ein paar Leckerchen und Streicheleinheiten abzuholen. Das Personal vor Ort freut sich meistens, wenn sie gesunde Tiere zu sehen bekommen, zu denen sie einfach nur nett sein dürfen. Allerdings sollte das nicht zu Zeiten sein, in denen allzu viel los ist. Zum einen ist es dann eh zu aufregend, als dass ein Hund wirklich etwas lernen könnte, zum anderen steigt die Gefahr, dass sich der eigene Hund bei einem wirklich erkrankten Tier ansteckt.
Für Katzen ist dies weniger eine Option. Bei den Samtpfoten wäre eine gute Vorbereitung, die Transportbox als Kuschelhöhle aufzubereiten und sie zu Hause auf einem erhöhten, leicht zugänglichen Platz immer zur Verfügung zu stellen. So kann sich die Katze daran gewöhnen und fühlt sich darin wohler. Unbedingt sollte eine Box genutzt werden, deren Verschlüsse sich leise öffnen und schließen lassen, da laute Geräusche von außen das darin sitzende Tier ängstigen können. Eine Box, bei der die Oberseite abgenommen werden kann, ermöglicht zudem die ersten Untersuchungsschritte, ohne die Katze aus der Box zu holen.
zza: Wenn Sie auf ihren Tierarzt-Alltag schauen: Was wünschen Sie sich von Seiten der Tierhalter? Wie sollten sich die Halter während der Untersuchung verhalten?
Tordy: Ich wünsche mir vor allem, dass die Tierhalter offen mit mir reden. Für eine gute Einschätzung helfen mir ehrliche Beschreibungen und für die Planung der Therapie sind auch ihre eigenen Wünsche und Ängste wichtig. Denn sie müssen die Behandlung durch Kontrollen, Medikamenteneingaben und gute Pflege unterstützen. Deswegen müssen ihre eigenen Bedürfnisse grundsätzlich einbezogen werden, auch wenn es nicht immer möglich ist, alle Erwartungen komplett zu erfüllen.
Zu uns Ärzten sind die Tierhalter leider oft nicht ganz so ehrlich wie zu Freunden oder den Beratern im Fachhandel. Es wäre auch schön, wenn jeder Tierhalter einen Erste-Hilfe-Kurs für die Tierart, die er hält, absolvieren würde. Erste-Hilfe-Kurse, speziell für Hunde- oder Katzenhalter, werden von Tierarztpraxen oder auch vom ASB angeboten. Ich selbst plane mittelfristig einen Online-Kurs zu dem Thema. Vielleicht könnte auch der Fachhandel solche Kurse anbieten, vorausgesetzt es gibt dort den entsprechenden Platz.
Sabine Gierok