Artikelarchiv
Farbratte: Intelligent, neugierig, verspielt und zutraulich

Wenn es um die Frage geht, welche Kleinsäuger am besten für Kinder geeignet sind, wird in der Regel auf Kaninchen und Meerschweinchen verwiesen. Verhaltensexperten raten jedoch einmütig zu Farbratten.
Helen Louton, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der LMU München, und der Kleinsäugerexperte Ralf Sistermann sind sich einig: Farbratten seien für Kinder besser geeignet als Meerschweinchen und Zwergkaninchen. Das insbesondere von Meerschweinchen bekannte und leider häufig fehlinterpretierte Erstarren beim Hochheben und Streicheln kennen Farbratten nicht. Nun sind auch Farbratten nicht per se "Kuscheltiere", doch tolerieren sie den Körperkontakt zu Menschen weitaus eher - ohne jede Scheu nutzen sie ihre zweibeinigen Pfleger zum Klettern und als Schlafplatz. Es versteht sich von selbst, dass Kinder und Jugendliche das natürliche Verhaltensrepertoire von Farbratten zunächst lernen, verstehen und respektieren müssen, bevor sie mit diesen Tieren umgehen.
Die als Heimtiere gehaltenen Farbratten (Rattus norvegicus forma domestica) stammen von der wildlebenden Wanderratte (Rattus norvegicus) ab. Schon im 19. Jahrhundert stellten Rattenfänger fest, dass nachgezüchtete Ratten von Generation zu Generation zahmer wurden. Farbratten unterscheiden sich von ihren wildlebenden Verwandten deutlich in Körperbau und -funktion sowie durch ihr Verhalten. U.a. sind Fluchtbereitschaft und Fluchtdistanz deutlich geringer als bei Wanderratten. Die Domestikation der Farbratte ist unumstritten. Ihren Populärnamen verdanken Farbratten der Tatsache, dass sie in verschiedenen Farbformen gezüchtet werden. Die häufigsten sind: Agouti (der Wildfarbe entsprechend), Zimt, English und Russian Blue, Schwarz, Beige, Champagner, Siam, Black Eyed White, Albino und Husky.
Sehr soziale Tiere
Da Ratten sehr soziale Tiere sind, dürfen sie niemals einzeln gehalten werden. Die gegenseitige Fellpflege, das Spiel und die Kommunikation mit Artgenossen sind unabdingbar für das Wohlbefinden der Tiere. Wissenschaftler der Universität Chicago kamen 2011 zu dem Schluss, dass Ratten sogar empathisch motiviertes Verhalten zeigen. Kleinsäugerexperte Ralf Sistermann empfiehlt gemischtgeschlechtliche Gruppen mit Tieren verschiedener Altersstufen. Dabei sollte die Gruppengröße bei mindestens drei bis vier Tieren liegen. Bei einer Gruppe mit mehr als sechs bis zehn Tieren besteht die Gefahr des Auseinanderfallens der Gruppe.
Bei der Haltung zu beachten ist das ausgeprägte Revierverhalten, das insbesondere bei der Integration rudelfremder Ratten berücksichtigt werden muss. Um fremde Tiere aneinander zu gewöhnen, werden die Ratten zunächst in getrennten Gehegen untergebracht, die so nah nebeneinander gestellt werden, dass sich die Tiere riechen und sehen, aber nicht beißen können. Zwischen den Gehegen wird täglich Nistmaterial ausgetauscht, damit sich die Gerüche der einzelnen Tiere vermischen. Nach etwa einer Woche kann dann eine Vergesellschaftung, möglichst auf neutralem Boden, versucht werden. Diese muss immer unter Aufsicht stattfinden, um notfalls eingreifen zu können. Besonders leicht lassen sich Jungtiere aneinander gewöhnen, adulte Böcke sind hingegen kaum zu vergesellschaften.
Große, gut strukturierte Gehege
Auch wenn Heimtierratten insgesamt ruhiger als Wanderraten sind, benötigen sie ausreichend Platz. Die Gehegemindestgröße von 100 x 50 x 50 cm (LxBxH) sollte für die dauerhafte Haltung deutlich überschritten werden. Dies lässt sich z.B. durch den Einbau von mehreren Etagen erreichen, die durch Klettermöglichkeiten wie Rampen oder Naturäste miteinander verbunden sind. Spezielle Nagerheime weisen häufig bereits solche Etagen auf. Je besser das Rattengehege durch Etagen, Klettermöglichkeiten, Höhlen und andere Einrichtungsgegenstände strukturiert ist, umso wohler fühlen sich die Tiere und umso spannender ist die Beobachtung ihres Verhaltens.
Als Mindestausstattung für ein artgerechtes Rattengehege sind erforderlich: mehrere Futternäpfe, Nippeltränke, Höhlen oder Häuser (diese sollten Platz für mindestens zwei Ratten bieten und zwei Ein-/Ausgänge haben), Hängematten aus waschbarem Stoff, Holzbrücken und -leitern, Röhren aus Kork und/oder Ton, Äste und eng gedrehte Sisalseile, Rampen zur Verbindung der verschiedenen Etagen, mit nicht klumpender Katzenstreu befüllte Toiletten. Laufteller sind für Ratten besser geeignet als Laufräder. Einstreu und Nistmaterial vervollständigen die Einrichtung.
Farbratten sind Allesfresser (Omnivore), ernähren sich aber hauptsächlich vegetarisch. Als Grundfutter sollte ein gutes Körnerfutter (Rattenfutter) gereicht werden, das durch die tägliche Gabe von Frischfutter in Form von Obst und Gemüse ergänzt wird. Tierisches Eiweiß sollte zwei- bis dreimal die Woche angeboten werden, hierfür eignet sich Ei- oder Insektenfutter, auch Katzentrockenfutter mit einem geringen Salzgehalt (ohne Taurin). (vg)
Quelle: zza 4/2013