Interview mit Hunter-Geschäftsführer Jan Oßenbrink__„Ich verstehe mich als Dienstleister für mein Team“

Hunter-Geschäftsführer Jan Oßenbrink. Foto: Hunter

Zum 45-jährigen Bestehen von Hunter hat sich in der Führungsetage Entscheidendes getan: Seit Anfang des Jahres bildet Jan Oßenbrink gemeinsam mit Nadine Trautwein die neue Doppelspitze des traditionsreichen Familienunternehmens. Der ehemalige Berater und Gründer bringt Struktur, frische Impulse und ein klares Ziel mit: Hunter zukunftsfähig aufzustellen. Ein Gespräch über Führung, Markenentwicklung, Wachstumsschmerzen und Bauchgefühl.

zza: Herr Oßenbrink, Sie sind Unternehmer, Berater, Gründer – und jetzt zusammen mit Nadine Trautwein in der Geschäftsführung von Hunter. Was hat Sie an diesem Schritt gereizt?

Jan Oßenbrink: Es ist eine herausfordernde Branche mit vielen Chancen, und Hunter hat eine exzellente Ausgangsposition – aber auch Aufgaben, die wir angehen müssen, um im Markt gut zu performen. Nach dem Verkauf meiner Firma Eigenland habe ich mir 2024 bewusst Zeit genommen, um zu überlegen, worauf ich dauerhaft Lust habe. Entscheidend war am Ende: die Menschen bei Hunter. Mit Nadine und dem gesamten Team hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass wir gut miteinander arbeiten können. Ich brauche Freiraum und Sparringspartner – beides finde ich hier.

zza: Wie kam der Kontakt zu Hunter zustande?

Oßenbrink: Über eine Empfehlung von Felix Voß, Inhaber von Mera Petfood. Wir kannten uns aus dem Mera-Beirat, für den ich damals tätig war. Felix vermittelte ein Gespräch mit Nadine. Das hat sofort gepasst – wir haben uns gut verstanden, was Werte, Ambitionen und Themen betrifft. Daraus entstanden Workshops, dann die Beratung, ein Interimsmandat – und schließlich der feste Einstieg.

zza: Sie haben einmal gesagt: „Folgt eurem Bauchgefühl!“ Gilt das auch für Ihre Rolle bei Hunter?

Oßenbrink: Intuition spielt immer eine Rolle. Letztes Jahr hatte ich beruflich mehrere Optionen. Klar, man kann eine Kreuztabelle mit Pro und Contra machen. Aber am Ende entscheidet das Herz. Ich bin analytisch und faktenorientiert, glaube aber, dass zu einer guten Entscheidung Intuition dazugehört. Es ist der Mix, der zählt.

zza: Wie zeigt sich Ihre Vorstellung von Führung im Alltag?

Oßenbrink: Führung beginnt mit der Frage: Wofür stehe ich morgens auf? Ich will einen Wert stiften. Das heißt für mich, Klarheit über das gemeinsame Ziel zu schaffen – über das, was jetzt zählt, und gleichzeitig Räume zu öffnen für das, was möglich werden kann. Ich will Rahmenbedingungen setzen, die Orientierung geben und gleichzeitig Freiheit zur Entfaltung ermöglichen. Gute Führung erzeugt Energie: durch ein motivierendes Umfeld, durch ehrliches Feedback in alle Richtungen, durch Vertrauen und durch ambitionierte Ziele, die man nicht allein erreicht, sondern als Team. Ich verstehe mich dabei als Dienstleister für mein Team – zu fragen, was andere brauchen, um erfolgreich zu sein. Wenn wir das hinbekommen, entsteht nicht nur wirtschaftlicher Erfolg, sondern auch ein echtes Gefühl von Sinn und Wirksamkeit – für uns als Team und für unsere Kunden, die unsere Produkte gerne und mit Überzeugung kaufen.

zza: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Nadine Trautwein in der Doppelspitze?

Oßenbrink: Sehr gut! Hunter ist stark gewachsen, aber die Geschäftsführung war lange eine Ein-Personen-Struktur. Da kommt viel zusammen. Nadine hat mal gesagt, sie gönne sich jetzt den Luxus – ich hoffe, ich bin kein Luxus – eines Partners an ihrer Seite. Wir ticken zum Teil unterschiedlich, aber teilen die gleiche Wertebasis. Operativ haben wir die Themen aufgeteilt: Produktmanagement, Marke, Marketing, E-Commerce, IT & Digitalisierung, Manufaktur und People & Culture liegen bei mir. Nadine hat andere Themen, Strategie machen wir gemeinsam. Wir brauchen operative Stabilität, um die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen.

zza: Was genau steht bei Hunter aktuell auf der Agenda?

Oßenbrink: Drei Handlungsfelder stehen bei mir mit Blick auf 2030, dem 50-jährigen Bestehen von Hunter, im Fokus: Erstens organisatorisch-strukturelle Weiterentwicklung. Zweitens kulturell: Geschwindigkeit, Entscheidungsfreude, Ambition. Drittens individuell: persönliche und fachliche Weiterentwicklung der Menschen. Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem Menschen gerne und wirksam arbeiten. Am Ende lautet die Frage: Wie stiften wir echten Mehrwert? Von innen nach außen – für Mitarbeitende, Partner, Kunden – und die Tiere.

zza: Die Marke Hunter steht für Design und Qualität. Wie wollen Sie die Marke weiterentwickeln?

Oßenbrink: Hunter als Marke ist stark, aber wir werden als führender Markt-Player ständig von Speed-Booten angegriffen. Die Marke soll noch bekannter und attraktiver werden und zwar generationenübergreifend. Das geht über Produkte, Kommunikation, Verpackung, Touchpoints. Wir wollen Premium für viele sein, aber nicht für alle. Markenaktivierung bedeutet für uns nicht nur neue Farben, sondern ein stimmiges Gesamtbild.

zza: Welche Rolle spielt dabei das internationale Geschäft?

Oßenbrink: Eine sehr wichtige und zunehmende Rolle. Das internationale Geschäft hat für uns bereits heute eine hohe Bedeutung und ist für uns ein absoluter Wachstumsmarkt. Der deutschsprachige Raum mit unseren langjährigen Partnern ist auch unser Fokus, aber wir schauen ebenfalls auf internationale Chancen. Manchmal ergibt sich daraus auch eine spezifische Produktentwicklung für einzelne Märkte.

zza: Hat sich das Konsumverhalten der Tierhalter verändert?

Oßenbrink: Definitiv. Die Bereitschaft, höhere Preise in einigen Segmenten zu zahlen, hat abgenommen. Deshalb ist unser Omnichannel-Ansatz wichtig: stationär und digital. Wir müssen die Customer Experience durchgängig gestalten. Auch hier haben wir Hausaufgaben. Wir wollen den Sell-out unserer Partner stärken – gerade im stationären Handel, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten.

zza: Gibt es neue Konzepte im stationären Bereich?

Oßenbrink: Unser Flagship-Store in Bielefeld ist ein gutes Beispiel. Dort haben wir kürzlich die „Vital Dog Days“ veranstaltet – mit Impulsvorträgen und mit Laufband-Analysen für Hunde, begleitet von Tierärztinnen. Das ist ein innovativer Service, der sehr gut ankam. Gleichzeitig lernen wir daraus für den Handel und auch für die Weiterentwicklung von Produkten. Wir testen viel, holen Feedback ein und erfahren, wie wir noch besser werden können. Entwicklung ist bei uns kein Selbstzweck, sondern eine Grundhaltung und immer mit Blick auf den Nutzen für das Tier.

zza: Sie sind jetzt seit einem halben Jahr bei Hunter – gab es in Ihrem Aufgabenfeld auch Überraschungen?

Oßenbrink: Ja, positiv überrascht hat mich die Leidenschaft im Team. Wenn jemand in der Manufaktur an der Nähmaschine sagt: „Jan, wir haben nur faszinierendes Leder“, dann ist das kein Spruch, sondern Haltung. Herausfordernd sind natürlich die typischen Wachstumsthemen und -schmerzen: Prozesse, Tempo, Kultur. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Ich habe viele Unternehmen begleitet, von Dax bis Mittelstand. Strategie, Geschäftsmodelle, Führung: Das alles hilft, das große Ganze im Blick zu behalten. Aber am Ende zählt, dass wir mit einem klaren Plan arbeiten: heute gut aufstellen, morgen gestalten.

zza: Wenn wir uns in fünf Jahren – also pünktlich zum 50. Geschäftsjubiläum – wieder sprechen, woran merken Sie, dass Sie erfolgreich waren?

Oßenbrink: Wenn Hunter ohne Nadine und mich noch erfolgreicher läuft als heute. Wenn wir ein Team haben, das in allen Bereichen weiß, wofür es morgens aufsteht. Wenn wir nachhaltiges und profitables Wachstum stabilisieren, steigern und dabei viel Spaß haben. Und wenn wir kritische Themen offen und fair ausgetragen haben. In vielen Themen sind wir schon sehr gut unterwegs und an manchen arbeiten wir sehr intensiv. Aber wir wissen auch: Es gibt immer neue Themen und Ideen, die wir neu angehen oder optimieren werden. In den nächsten fünf Jahren werden unsere gesetzten Ziele sichtbar werden, davon bin ich überzeugt.

Sabine Gierok