Südamerika__Nachhaltiger Fischfang nützt Natur und Mensch

Foto: Dr. Stefan Hetz

Dr. Stefan Hetz, Referent beim Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe,stellt zwei Projekte in Südamerika vor. Der promovierte Biologe hat sich nachhaltigen Zierfischfang in Brasilien und Kolumbien angeschaut.

Schon im Sommer hatte der zza über die neue Negativliste der brasilianischen Regierung bezüglich der für den Export erlaubten Fischarten berichtet. Nach einigem Hin und Her ist sie mittlerweile in Kraft getreten und wird bis auf den Bundesstaat Pará von allen brasilianischen Bundesstaaten als Grundlage für Exportgenehmigungen verwendet.

Vor einem Jahr hatte ich bei einem Besuch der Universität in Pará die Möglichkeit, mir einige Aspekte des Fischexportes zwischen Altamira und Belém im Bundesstaat Pará anzusehen, Fischfänger und Sammelstellen zu besuchen und Fische vom Fang in Altamira bis zum Exporteur in Belém zu begleiten. Die Art und Weise des Zierfischfangs und Exports war für mich neu und ein Grund, dies zusammen mit einem weiteren Projekt im kolumbianischen Inírida vorzustellen.

Viele Menschen leben hier vom Fischfang

In Altamira, einem Ort mit gut 100.000 Einwohnern am Fluss Xingú, gibt es viele Menschen, die vom Fischfang leben – entweder vom Fang großer Fische für die menschliche Ernährung oder vom Fang von Aquarienfischen, hier vor allem die begehrten L-Welse. In Altamira werden die Fische, die von den Exporteuren in Belém bestellt werden, von den Fischfängern in der näheren Umgebung an zentralen Stellen gesammelt und von dort per Lastwagen über Nacht nach Belém transportiert, wo sie am nächsten Tag ankommen. Der Transport per Lastwagen ist für alle Beteiligten besser, da die Transportkosten keine große Rolle spielen.

Die Exporteure bestellen in Altamira vor allem L-Welse in einer genau festgelegten mittleren Größe und in genau festgelegter Stückzahl. Sie zahlen auch nur die bestellten Fische in der bestellten Größe und Anzahl. Damit wird sichergestellt, dass – ein wichtiger Tierschutzaspekt – pro Verpackungseinheit nur eine festgelegte Anzahl von Fischen transportiert wird und – als wichtiger Artenschutzaspekt – nur Fische in einer bestimmten Größe aus dem Biotop entnommen werden. Diese Fische in einer mittleren Größe stellen zum einen für jüngere und kleinere Nachkommen eine große Konkurrenz um Futter und Verstecke dar, zum anderen beginnen sie mit erwachsenen Tieren um Bruthöhlen zu konkurrieren. Diese Bruthöhlen sind im Xingú sehr begehrt, da dort L-Welse in einer unglaublichen Vielfalt um die vorhandenen ökologischen Nischen und Ressourcen wetteifern. Ein eindrucksvolles Beispiel für nachhaltigen Fischfang, der die Bestände schützt.

Beim Auspacken einer Sendung L-Welse in Belém in zwei Betrieben konnten wir die Mortalität bestimmen, die bei 640 ausgepackten Welsen – dann hatte ich aufgehört zu zählen – bei drei toten Tieren in einem Betrieb lag. In einem anderen Betrieb gab es sieben tote Tiere, die alle in einer Tüte waren, bei insgesamt 720 gezählten Tieren. Das sind zwar nur Stichproben, aber sie zeigen trotzdem, dass diese Zahlen deutlich unter den in manchen Publikationen angenommenen Mortalitätsraten liegen.

Einzigartige Fischfauna

Von der Struktur ganz anders stellt sich die Situation in der Region um Inírida in Kolumbien dar. Ein Großteil der Zierfische kommt aus einem im Jahr 2014 ausgewiesenen und mehr als 250.000 Hektar messenden Ramsar-Schutzgebiet, der Estrella Fluvial Inírida. Das Gebiet umfasst mit dem Orinoco, dem Inírida, dem Guaviare sowie dem Atabapo Flüsse aus den in Südamerika bekannten Wassertypen Schwarz-, Klar- und Weißwasser sowie eine einzigartige Wildtier- und Fischfauna. Das Schutzgebiet ist wichtig für die indigene Bevölkerung, die aus der nachhaltigen Nutzung ihren Unterhalt bezieht. Dazu gehört auch der Zierfischfang, der in diesem riesigen Überschwemmungsgebiet nicht leicht ist, sich aufgrund der hohen Biodiversität aber auch auf viele Arten verteilt. Zunehmend wird auch sanfter Ökotourismus betrieben, der nach dem Waffenstillstand der kolumbianischen Farc auch Expeditionen in Gebiete der indigenen Bevölkerung erlaubt, was einige Aquarianer auch schon genutzt haben.

Der Zierfischfang der indigenen Bevölkerung, unterstützt von verschiedenen lokalen und internationalen Naturschutzorganisationen, stellt eine nachhaltige Nutzung der Fischbestände dar, die aufgrund der ausgeprägten Schwankungen des Wasserstands vor allem zur Trockenzeit verfügbar sind. Um die saisonale Verfügbarkeit abzumildern – die Bevölkerung der Industrieländer möchte ja möglichst jede Fischart zu jeder Zeit in allen Mengen zur Verfügung haben – werden Fische auch in Teichen rund um Inírida zwischengehältert. Von dort aus werden sie per Flugzeug nach Bogotá transportiert, von wo sie über Exporteure in alle Welt verschickt werden.

Gerade in der winterlichen Jahreszeit, dieses Mal noch verstärkt durch das Covid-19-Geschehen und den zweiten Lockdown, nutze ich die Zeit vermehrt, um in meine Aquarien zu sehen und die Gedanken um meine Besuche in einigen der oben geschilderten Lebensräume, der von mir gehaltenen Fische und die eindrucksvollen Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung kreisen zu lassen. Hoffen wir, dass für die vom Zierfischfang lebende Bevölkerung weiterhin eine Möglichkeit erhalten wird, ihr Einkommen durch den Zierfischfang zu bestreiten. Hoffen wir auch, dass der überbordende Ruf nach einem Wildtierverbot aufgrund der Vermischung der extrem komplexen Themen Wildfang, Wildtierhandel, Wildfänge, Zoonosen und Pandemien, von denen der Zierfischfang nur ein winziger Aspekt ist, nicht dazu führt, aus unbegründeter Unsicherheit und Unwissenheit politische Entscheidung zu treffen, die sich mittel- und langfristig als ungeeignet oder gar falsch erweisen.