Handelsverbot invasiver Arten__EU-Parlament lehnt Vorschlagsliste ab
Das Europäische Parlament hat sich gegen die von der Europäischen Kommission erstellten Liste invasiver Arten ("Alien Species“) ausgesprochen, die ab 2016 unionsweit gelten sollte.
Nach der Verordnung zur Bekämpfung invasiver Arten war die Kommission aufgefordert, bis Anfang 2016 eine Liste mit den schädlichsten zugewanderten Tier- und Pflanzenarten vorzulegen, welche die Mitgliedstaaten dann überwachen und ggf. bekämpfen müssen. Die EU-Kommission hatte daraufhin eine Liste mit 37 invasiven Arten erstellt, für die ab Veröffentlichung im EU-Amtsblatt ein Import- und Handelsverbot gelten sollte. Neben acht Aquarien- und Teichpflanzen beinhaltete die Liste auch handelsrelevante Heimtierarten, wie das Sibirische Streifenhörnchen (Tamias sibiricus), die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta) und der Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva). Diese Liste wurde im Dezember 2015 vom EU-Parlament abgelehnt.
Kritisiert wird „die Willkür“, mit der die Liste erstellt worden sei. Dazu erklärt Renate Sommer (CDU), Berichterstatterin der EVP-Fraktion: "Man muss kein Biologe sein, um zu erkennen, dass diese Liste invasiver Arten willkürlich erstellt wurde. So taucht etwa die weit verbreitete Herkulesstaude, die bei Hautkontakt zu Verbrennungen und sogar Blindheit führen kann, nicht in der Liste der Kommission auf. Die Wasserhyazinthe hingegen, die keine negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat und sich schon wegen der klimatischen Bedingungen nicht in ganz Europa ausbreiten kann, wird als gefährliche, zu bekämpfende Art aufgeführt.“
Sommer weiter: „Diese Widersprüche sind auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen hat sich die Kommission schlichtweg nicht an das Gesetz gehalten. Anstatt, wie in der Verordnung vorgeschrieben, neue Risikobewertungen mit einheitlichen Kriterien für die Bestimmung der gefährlichen invasiven Arten heranzuziehen, hat die Kommission die Liste auf Basis alter Risikobewertungen aus einzelnen Mitgliedstaaten erstellt. Darüber hinaus gab es ganz offensichtlich aus einzelnen Mitgliedstaaten erheblichen Druck auf die Kommission, um die Aufnahme bestimmter Arten in die Liste zu verhindern. Der Grund ist einfach: Die Bekämpfung ist aufwendig und teuer.
Wir fordern die Kommission daher auf, diese Liste zurückzuziehen und nach Abschluss der nötigen Risikobewertungen einen neuen Entwurf vorzulegen. Das Thema ist zu ernst, als das wir es auf die leichte Schulter nehmen könnten. Invasive Arten verursachen in der EU jährlich Kosten von 12 Milliarden Euro. Pflanzen und Tiere aus fremden Breitengraden können nicht nur eine tödliche Konkurrenz für heimische Arten darstellen. Sie gefährden auch die Infrastruktur und die menschliche Gesundheit. Um die gefährlichsten Arten europaweit identifizieren zu können, müssen zunächst einheitliche, wissenschaftliche Kriterien erstellt werden. Das ist der Wille des Europäischen Gesetzgebers. Es darf nicht sein, dass die EU-Kommission geltendes Recht ignoriert."
Tierschutz mitbedacht?
Ein Handelsverbot invasiver Arten wirft darüber hinaus Fragen nach dem Tierschutz auf. Ab Veröffentlichung der Artenliste im EU-Amtsblatt wird unionsweit ein Import- und Handelsverbot gelten. Tiere, die sich bereits in menschlicher Obhut befinden, dürfen weiter gehalten werden. In Artikel 31 ist geregelt, unter welchen Bedingungen Arten gehalten werden dürfen, die bereits vor Veröffentlichung der Liste in menschlicher Obhut waren:
- bis zum Ende ihrer natürlichen Lebensdauer unter entsprechenden Bedingungen,
- es müssen Maßnahmen getroffen sein, um die Fortpflanzung oder ein Entkommen auszuschließen.
Private Tierhalter, die die Einhaltung der Bedingungen nicht gewährleisten können, dürfen die betreffenden Tiere nicht behalten. Die EU-Mitgliedstaaten können diese Tiere übernehmen. In diesem Fall ist, wie es in dem bisher vorliegenden Verordnungstext heißt, „dem Tierschutz gebührend Rechnung zu tragen“.
In diesem Zusammenhang stellt Markus Baur, Leiter der Münchner Reptilienauffangstation, die Frage, wie eine tierschutzgerechte Unterbringung der Tiere durch die EU-Länder aussehen soll. Da die Tiere nicht vermittelt werden können und für eine dauerhafte Unterbringung entsprechende Gehege und Pflege benötigen, sind reguläre Tierheime dafür ungeeignet. Spezialisierte Tierheime jedoch gibt es zum einen nur wenige, zum anderen kämpfen sie bereits jetzt schon mangels ausreichender staatlicher Unterstützung um ihr Überleben. Deutschlands größte Auffangstation für solche Tiere etwa, die Auffangstation für Reptilien, München e.V., steht derzeit erneut vor der Insolvenz, da das Land Bayern eine finanzielle Unterstützung der dringend nötigen Baumaßnahmen im kommenden Haushaltsplan nicht vorgesehen hat. Markus Baur: „Liste of Invasive Alien Species of Union Concern einerseits, drohendes Aus für eine der größten Auffangstationen für Reptilien aus Kostenersparnisgründen, wie geht denn das zusammen?“