Speisefischerei__Malawisee ist „Bedrohter See des Jahres 2022"

Auch die Bestände der in Aquarien beliebten Buntbarsche sind in den letzten Jahren durch Bevölkerungswachstum und die damit verbundene Überfischung stark zurück gegangen. Foto: Moritz Grubenmann

Der Global Nature Fund und das Netzwerk Living Lakes haben den Malawisee zum „Bedrohten See des Jahres 2022" erklärt. Ein trauriger Titel für dieses in jeder Hinsicht großartige Gewässer. Unter anderem sind Hunderte von Buntbarscharten dort endemisch.

Der Malawisee ist der drittgrößte See Afrikas und einer der zehn größten sowie fischartenreichsten Seen der Erde. Mit seinen 560 Kilometern Länge und bis zu 80 Kilometern Breite beherbergt er eine enorme Vielfalt an Fischarten. Malawis Süßwasserökosystem beherbergt vier Prozent der weltweiten Fischbiodiversität, von diesem Ökosystem abhängig sind insgesamt 14 Prozent aller bekannten Süßwasserfischarten.

Besonders bekannt und sehr beliebt in der Aquaristik sind die bunten Malawisee-Cichliden. Fast alle der mehr als 60 bisher beschriebenen Buntbarsch-Gattungen sind dort endemisch. Sie haben sich in erdgeschichtlich kurzer Zeit aus nur zwei Artengruppen gebildet und die verschiedensten ökologischen Nischen des Sees besetzt. Auch wenn schon mehr als 450 Arten beschrieben sind, vermuten Kenner der Fischfauna des Malawisees, dass weitere 200 bis 300 noch unbeschriebene Arten im See leben.

Armes Land, wachsende Bevölkerung

Die Fischerei in diesem Ökosystem zielt aber überwiegend auf die Gewinnung von Speisefisch. Sie trägt vier Prozent zum Bruttoinlandsprodukt von Malawi bei, bietet ungefähr 60.000 Fischern Arbeit. Insgesamt sind sogar über 450.000 Menschen beruflich von ihr abhängig.

Malawi zählt zu den ärmsten Ländern der Erde und verzeichnet zugleich ein starkes Bevölkerungswachstum. So zählt die Überfischung durch die Speisefischerei zu einer der größten ökologischen Bedrohungen des Malawisees. Ein Katalog an Maßnahmen wird nun gefordert, um dem See zu helfen. Von der Sanierung der besonders geschädigten Zonen des Sees, der Schaffung von Problembewusstsein und der Steigerung des Fachwissens bei lokaler Bevölkerung und politischen Entscheidungsträgern, bis hin zur Schaffung alternativer Erwerbsquellen wie zum Beispiel Fischzuchten in Teichen.

Speisefischerei im Fokus

Jens Crueger, Präsident des Verbandes Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde (VDA), verweist in diesem Zusammenhang auf die Chancen und Potenziale von nachhaltigen Modellen des Zierfischfangs. „In den bisherigen Konzepten zur Zukunft des Malawisees, allen voran im ‚Guide to Participatory Fisheries Management in Malawi‘, wird der Schwerpunkt eindeutig auf die Speisefischerei gelegt. Auch die Analysen setzen hier ihren Fokus, zuletzt die ‚Applied Political Economy Analysis of Decentralized Fisheries Management in Malawi‘.“

„Wir wissen aber sehr genau um die positiven Effekte einer nachhaltig geplanten und sozial fair realisierten Zierfischfischerei“, so Crueger. Ökonomie, Ökologie und soziale Effekte könnten dabei sinnvoll ineinandergreifen. „Die Buntbarsche im Malawisee werden von vielen engagierten Halterinnen und Haltern weltweit seit Jahrzehnten gepflegt und vielfach gezüchtet. Dabei wurde bereits beachtliches Wissen über die Biologie dieser Fischarten gewonnen. Ihre Heimat ist einzig und allein der Malawisee, sie sind dort endemisch und drohen deshalb in der Natur komplett auszusterben, falls sich die ökologische Situation im Malawisee nicht verbessert.“

„Impulse erweitern“

Daher sei es sinnvoll und geboten, die Erhaltungszuchten bei privaten Haltern, eine nachhaltige Zierfischfischerei am Malawisee und außerdem geeignete Maßnahmen des Capacity Buildings stärker in den Fokus zu nehmen, etwa für Erhaltungszuchtprojekte direkt vor Ort am See, sagt Jens Crueger. „Die bisherigen Impulse zur Etablierung beziehungsweise Verbesserung von Strukturen, Standards und Verfahren vor Ort sollten in diesem Sinne erweitert werden, zum Wohle der Artenvielfalt, aber auch zum Vorteil der lokalen Bevölkerung.“

Die politische Referentin des VDA Kathrin Glaw ergänzt: „Als Dachverband unterstützen wir die zahlreichen, ehrenamtlichen Initiativen für Erhaltungszuchtprojekte bedrohter Fischarten nach besten Kräften. Wir können die Politik nur immer wieder dazu ermuntern, das Knowhow und die Ressourcen all dieser privaten Initiativen wertzuschätzen und auch aktiv in die Planungen miteinzubeziehen.“ Der Herausforderung des globalen Artensterbens könne man nur gemeinsam begegnen, mit den Partnern vor Ort, mit Zoos und anderen wissenschaftlichen Institutionen, aber eben auch mit den engagierten und kompetenten Privatleuten.