Interview__Belasten exotische Heimtiere die Tierheime?

Dr. Markus Baur: Foto: privat

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hält exotische Tiere wie Schlangen oder Chamäleons für zu anspruchsvoll für die private Heimtierhaltung und befürchtet, dass sie vor allem Tierheime vor große Probleme stellen. Stimmt das? Antje Schreiber vom Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe sprach darüber mit Dr. Markus Baur, einem Fachtierarzt für Reptilien sowie erster Vorsitzender und Leiter der Reptilienauffangstation München.

zza: Wie geht es Ihrer Reptilienauffangstation? Gab es während der Corona-Zeit einen Exoten-Boom oder geben Menschen heute mehr Reptilien ab als früher?
Dr. Markus Baur: Wir haben kein zunehmendes Problem. Während der Corona-Zeit gab es nicht mehr Anfragen nach exotischen Tieren und wir haben im Jahr 2022 auch nicht mehr Abgabewünsche registriert als in den Jahren zuvor. Als Mitglied in einer Krisenmanagement-Tierheim-Gruppe, die sich über aktuelle Notlagen austauscht, kann ich sagen, dass auch in anderen Tierheimen des Netzwerks die Abgabe von Schlangen oder Echsen nicht gestiegen ist. Das Tierheim Berlin gibt regelmäßig Terrarientiere an uns ab, aber da gab es auch nicht mehr Anrufe als früher.

Abgabe von Schlangen und Echsen nicht gestiegen

zza: Welche Probleme haben Tierheime aus Ihrer Sicht?
Baur: Ein Problem war, dass die Behörden unsere Fälle während der Corona-Krise nicht bearbeiten konnten und es kaum Begehungen gab. Deshalb haben wir lange keine Tagessätze erhalten. Normale Tierheime haben ein Problem, wenn ein einzelnes Tier abgegeben wird, auf das das Tierheim nicht vorbereitet ist. Dann kommen Fragen, woher man Futtertiere bekommt, geeignete Gehege erhält et cetera. Meistens geben solche Tierheime die Tiere an spezialisierte Einrichtungen wie uns ab. In unserer Tierheim-Gruppe wurde vor allem berichtet, dass während Corona viele Leute Hunde wollten und dann einige ihre Hunde und Katzen wieder abgegeben haben. Bei Kleinsäugern nehmen wir nicht wahr, dass vermehrt abgegeben wurde.

zza: Welche Tierarten werden Ihnen anvertraut? Sind es vor allem die außergewöhnlichen?
Baur: Bei uns landen in der Mehrzahl normale Terrarientiere, die seit Jahrzehnten als Heimtiere beliebt sind. Schildkröten, Kornnattern, Königspythons, Bartagamen. Ausgefallene Tiere sind meist Exemplare, die gefunden wurden oder aus einer behördlichen Sicherstellung stammen. Weißbüschel-Äffchen oder ein Waschbär zum Beispiel.

zza: Aus welchen Gründen geben Tierhalter ihre Tiere ab?
Baur: Häufig ist eine Tierhaltung wirklich nicht mehr möglich, wegen Todesfällen, neuen Vermietern oder Umzügen. Auch wegen zerbrochenen Partnerschaften oder wegen Kindern, die das Elternhaus verlassen, werden Tiere abgegeben. Es gibt auch Menschen, die unüberlegt Tiere anschaffen, aber das sind seltene Ausreißer.

zza: Haben Tierfreunde, an die Sie Tiere vermitteln, ein Vorwissen und Ahnung von den Bedürfnissen der Tiere?
Baur: Größtenteils haben die Leute Ahnung. Wir gestalten die Vermittlung genauso wie Tierheime mit Hund und Katze. Die Leute müssen zeigen, wo die Tiere leben, wie das Terrarium geplant ist. Außerdem beraten wir sie, wie sie die Haltung umsetzen können. Spontan aus dem Bauch, weil es cool ist, schaffen die Leute Tiere nicht an. Das war noch in den 90-ern so, heute nicht mehr. Den normalen Bürgern, die bei uns anfragen, ist klar, dass Terraristik aufwändig ist.

zza: Was halten Sie von der von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgeschlagenen Positivliste für Heimtiere und seinem geplanten Exotenverbot?
Baur: Eine Positivliste würde nicht dazu führen, dass weniger Tiere abgegeben werden. Denn wenn beliebte, für die Heimtierhaltung geeignete, nachgezüchtete Tiere auf die Positivliste kommen, haben wir genau die Tiere auf der Liste, die uns aktuell in den Tierheimen Probleme machen, nämlich Hund, Katze und in unserem Fall Kornnattern, Leopardgeckos et cetera. Man muss weiterdenken: Die Tiere, die nicht auf der Liste stehen, wären illegal. Wenn nicht gelistete Tiere illegal sind, würden viel zu viele Tiere in Auffangstationen landen, zum Beispiel bei Zufallszuchten und so weiter. Ich habe auch die Erhaltungszucht und die Notwendigkeit einer Reservepopulation im Hinterkopf.

„Heimtierhaltung sollte grundsätzlich erlaubt sein“

zza: Was könnte stattdessen das Tierwohl in der Reptilienhaltung stärken?
Baur: Um den Tierschutz zu stärken, sollte Heimtierhaltung grundsätzlich erst einmal erlaubt sein und dann sollte es meiner Meinung nach für einige Tiere Hürden geben und die Haltung über Sachkundenachweise gesteuert werden. Beim Schweizer Modell gibt es Tiere, für die es keinen Sachkundenachweis braucht, für andere nimmt der Handel Sachkunde beim Halter ab. Und schließlich gibt es eine Negativliste mit Tieren, die nur mit hohem Aufwand zu pflegen sind. Ich möchte Klarheit für den Bürger. Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sollten rigide geahndet werden. Aber Tierhalter, die es gut machen, sollten in Ruhe gelassen werden.

zza: Was würden Sie sich von Seiten der Behörden oder der Politik wünschen?
Baur: Menschen wollen mit Tieren leben. Aber wir sollten klare Rahmenbedingungen schaffen, damit Leute auch in Notsituationen Tiere abgeben können und diese weitervermittelt werden. Wir brauchen spezialisierte Tierheime mit geeigneter Ausstattung.

zza: Warum betreiben Sie eine Auffangstation?
Baur: Weil ich selbst Tiere halte – während wir gerade sprechen, sitze ich vor meinem Terrarium. Ich finde es wichtig, dass man den Tieren, wenn sie im Tierschutz landen, ein gutes Zuhause bietet. Regelungen sollten wirklich Verbesserungen im Tierschutz bringen, denn ich möchte, dass Tierhaltung gut läuft.