Digitale Aquaristik__Fische im Netz

Foto: WZF

Wie lassen sich die Lebensräume in Aquarien oder Gartenteichen mit digitaler Technik verbessern? Aquaristik-Experte Matthias Wiesensee sagt, dass es schon jetzt mannigfaltige Möglichkeiten gibt und dass in Zukunft viele weitere hinzukommen werden. Digitalisierung in der Aquaristik sei viel mehr als eine Spielerei, sondern diene in erster Linie dem Wohl der Tiere.

Eine vielzitierte These zur Digitalisierung lautet: Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Dieser gesellschaftliche Mega-Trend macht auch vor der Aquaristik nicht halt. Matthias Wiesensee greift in einem Podcast auf der Aquaristik-Plattform „My-fish“ das Thema auf und redet im Gespräch mit Moderator Lucas Müller darüber, was schon jetzt möglich ist und wozu der Einsatz von digitaler Technik gut ist.

Technikaffiner Tüftler

Wiesensee darf getrost als Fachmann für das Thema bezeichnet werden, betreut er doch als Community- Manager das Portal „My-fish“, ist studierter Wirtschaftsinformatiker und arbeitet bei einem bekannten Hersteller von Aquaristik-Zubehör. Dass er zuhause selbst Aquarien und einen Gartenteich betreibt, versteht sich von selbst. Da er aber auch ein technikaffiner Tüftler ist, kann er aus eigener Erfahrung über die Digitalisierung im und am Aquarium sprechen.

Digitalisierung ist im Kern die Vernetzung von Dingen über das Internet. Sind es in der Industrie die Maschinen und Prozesse, die unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ seit über zehn Jahren verbunden werden, hat im Privaten, in Haus oder Wohnung, die „Smart Home“-Welt Einzug gehalten. Da werden Bestände in Kühlschränken überwacht, Beleuchtung und Heizung von unterwegs mit dem Smartphone gesteuert, werden über Kameras Gärten beobachtet oder aus dem Urlaub die Rollläden hoch und runter gelassen.

Junges Thema

Auch die Hersteller von Aquaristik- Zubehör haben das Thema auf dem Schirm. Noch sei es in der Branche ein junges Thema, sagt Wiesensee, aber seit etwa vier Jahren kämen verstärkt Produkte auf den Markt, die unter diese Entwicklung rubriziert werden können. So bieten beispielsweise fast alle großen Hersteller eine App für das Smartphone an, mit der die Beleuchtung im Aquarium gesteuert werden kann. Ein anderer Hersteller hat im vergangenen Jahr ein digitales Komplett-System auf den Markt gebracht.

Für Wiesensee steht der Markt aber noch ganz am Anfang dessen, was möglich ist. Es gehe zuvorderst um das Wohl der Fische, wenn sich Aquarianer und Anbieter über neue Anwendungen den Kopf zerbrechen, sagt er. Überwachung und Kontrolle seien die Stichworte, und zwar im positiven Sinne.

War es bislang so, dass bestimmte Dinge nur über persönliche Anwesenheit geregelt werden konnten, bietet hier beispielsweise schon eine auf das Aquarium gerichtete Kamera neue Möglichkeiten. Mit dem Netz verbunden und über das Smartphone angesteuert schafft eine solche Kamera auch unterwegs die Gelegenheit, zuhause nach dem Rechten zu sehen. Ein Blick gibt Aufschluss darüber, ob sich die Tiere auffällig oder normal verhalten, oder auch darüber, ob noch genügend Wasser im Becken ist.

Digitale Feuermelder

„Ich wünsche niemandem, dass er nach Hause kommt und feststellt, dass das Wasser ausgelaufen ist“, sagt Wiesensee in dem Podcast. Dann sei es schließlich zu spät. So funktionieren Kameras oder Sensoren wie ein Feuermelder. Sinkt beispielsweise der Wasserspiegel, könne der Besitzer vielleicht noch reagieren und die Tiere und das ganze Biotop retten. „Man kann ja nicht überall sein, nicht alles selber machen“, sagt Wiesensee. Da helfe die „Smart Home“-Welt.

Im Aquarium lassen sich auch Wasserqualität, Strömungsverhältnisse oder Zustand der Filter schon heute über Sensorik digital überwachen. Gibt es ein Problem, wird der Aquarianer benachrichtigt. So weiß der Betreiber eines Biotops beispielsweise stets, ob die Wasserwerte in Ordnung sind. Über smarte Aquaristik-Produkte lässt sich so sicherstellen, dass es den Tieren gut geht.

Auch wenn jeder Aquarianer sich größtmögliche Mühe gibt – durch Unachtsamkeit, Zeitmangel oder auch Fahrlässigkeit kann schnell ein Problem im Biotop übersehen werden, das dem Tier schadet. „Da kann uns die Technik helfen“, so Wiesensee. Kameras, Sensoren und Computer schauen immer hin.

Simulation für das Wohlbefinden

Ein weiterer Aspekt ist die Simulation. Je besser der ursprüngliche Lebensraum der Tiere nachempfunden werden kann, sagt Matthias Wiesensee, umso besser sei das auch für das Wohlbefinden der Tiere. Mit digitaler Steuerung etwa von Licht und Strömung lassen sich gewisse Umweltphänomene simulieren. Das sind Phänomene, auf die das Tier evolutionär eingestellt ist.

Wo Sensoren arbeiten, fallen Daten an. Werden wichtige Parameter wie beispielsweise die Wasserqualität permanent beobachtet, können diese Informationen auch anderen Aquarianern dienen. Um wieder einen Vergleich zur Industrie zu ziehen: Dort hat man schon vor Jahren erkannt, dass Prozesswissen ein wertvolles Gut ist, etwa die perfekten Einstellungen einer komplizierten Maschine. Schließlich will jedes Unternehmen seine Prozesse optimieren.

Natürlich sind Aquarien keine Maschinen, aber sie sind auch komplexe Systeme mit einer Vielzahl von Parametern. Jeder Aquarianer möchte sein Biotop optimal einstellen. Und optimal heiß hier wieder: bestmöglich für das Tierwohl. Das Setup eines Biotops untereinander auszutauschen, wird künftig vielleicht deutlich einfacher.

Es wird einfacher

Bleibt die Frage, was der Einzelne tun kann. Für einen Informatiker wie Wiesensee ist es sicher kein Problem, eine Kamera über den hauseigenen Wlan-Router ins Netz zu bringen, um sie mit dem Handy anzusteuern, oder einen Sensor für einen bestimmten Parameter zu installieren. Aber nicht jeder Aquarienfreund verfügt über das technische Know-how und die Anbieter haben auch noch nicht für jeden Aspekt eine Lösung entwickelt.

Kein Problem, sagt Wiesensee. Die Anbieter arbeiteten unter Hochdruck daran, Installation und Betrieb smarter Produkte benutzerfreundlicher und einfacher zu machen. „Plug & Play“ sei hier das Ziel. Ein Sensor wird installiert und mit Energie versorgt. Er richtet sich selbst ein, vernetzt sich und geht in Betrieb. Der Installationsaufwand ist minimal. In drei bis vier Jahren, sagt er, könne das auch jeder IT-fremde.

Kreativität ist gefragt

Darüber hinaus appelliert Wiesensee an die Kreativität der Aquarianer. Es gebe so viele Möglichkeiten zur Vernetzung und die Magie liege hier in der Kombination. Im „My-fish“-Podcast gibt er Beispiele: Ein draußen installierter Lichtsensor stellt fest, dass der Sonnenschein einen definierten Wert überschritten hat. Um unerwünschtes Algenwachstum im Aquarium zu unterbinden, macht das Smart-Home- System die Rollläden runter und fährt gleichzeitig die Beleuchtung im Aquarium etwas hoch.

Anderes Beispiel: Das System stellt einen reduzierten Filterdurchfluss fest, woraufhin bestimmte Wasserparameter gemessen werden. Entwickeln sich dort die Werte über einen definierten Punkt hinaus, wird ein automatisierter Wasserwechsel von 20 Prozent angestoßen. Der Aquarianer hat in diesen Szenarien nicht mehr eingegriffen. Das System übernimmt die Kontrollaufgaben, ergreift die passenden Maßnahmen und schützt das Biotop. Die Tiere freut‘s, den Menschen auch. dh